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BilMoG: Was ist eigentlich eine Bewertungseinheit? | ||||
Erstmals ist durch die Bilanzrechtsmodernisierung auch im deutschen Handelsrecht die Bildung von Bewertungseinheiten zugelassen worden. Leider konnte der deutsche Gesetzgeber sich aber nicht dazu durchringen, die Komponentenaktivierung etwa nach dem Vorbild von IAS 16 zu gestatten. Stattdessen ist ein Verrechnungsmodell herausgekommen, von dem Kritiker behaupten, es diene in Wirklichkeit dazu, den finanziellen Giftmüll besser vor den Augen des Bilanzlesers zu verstecken. Schauen wir mal etwas näher hin:
So wurde an Stelle der alten Maßgeblichkeitsregel in §254 HGB eine neue Ausnahme zum Verrechnungsverbot eingefügt. Werden Vermögensgegenstände, Schulden, schwebende Geschäfte oder mit höchster Wahrscheinlichkeit vorgesehene Transaktionen zum Ausgleich gegenläufiger Wertänderungen oder Zahlungsströme aus vergleichbaren Risiken nachweislich zusammengefaßt, so sind die §§249 (Rückstellungen) und 253 (Zugangs- und Folgebewertung) nicht anzuwenden, soweit die gegenläufigen Wertänderungen oder Zahlungsströme sich gegenseitig aufheben. Nur mit einem Beispiel verständlich zu machenDie Regelung ist schwierig zu verstehen und zielt auf Derivatgeschäfte und Termintransaktionen. Erst durch ein Beispiel wird vermutlich transparent, wie die auf den ersten Blick so kryptische Vorschrift angewandt werden soll. Ein Unternehmen habe Waren in die USA veräußert, und daraus eine Dollarforderung im Wert von 1 Mio. US$ vom 15. März des Jahres. Die Laufzeit der Forderung betrage ein Jahr und der Dollarkurs liege bei Abrechnung bei 1,25 US$/Euro. Der anfängliche Gegenwert der Forderung beträgt daher beim deutschen Exporteur 800.000,00 Euro. Grundgeschäft und SicherungstransaktionAm 15.06. des Jahres ist der Kurs des US-Dollars jedoch auf 1,28 US$ pro Euro gefallen. Die Forderung ist also nur noch 781.250 Euro wert. Es ist ein Verlust in Höhe von 18.750 Euro entstanden. Um weitere Verluste aus einem eventuell noch weiter verfallenden US-Dollar zu vermeiden, wird ein Devisenterminverkauf durchgeführt: Am 15.06. des Jahres mit einer Fälligkeit zum 15.03. des Folgejahres, also zeitgleich mit der zugrundeliegenden Dollarforderung, werden 1.000.000 US$ zu 1,28 Dollar pro Euro veräußert. Der Gegenwert dieses Geschäfts beträgt also ebenfalls 781.250 Euro. Dieser Devisenterminkontrakt dient der Absicherung gegenläufiger Wertänderungen oder Zahlungsströme. Gegenläufige Wertänderungen aus vergleichbaren Risiken werden nachweislich zusammengefaßt. Der Devisenterminkontrakt bildet mit dem zugrundeliegenden Forderungsbetrag eine Bewertungseinheit i.S.d. §254 HGB. Gute Zeiten, schlechte ZeitenErstes Szenario: Der US-Dollar steigt (Annahme: auf 1,00 US$ pro Euro). Die Forderung steigt damit um 200.000 Euro auf einen Wert von 1.000.000 Euro, aber das Termingeschäft verursacht einen Verlust von 218.750 Euro. Bei isolierter Anwendung des Imparitäts- und des Realisationsprinzipes wäre die Forderung zum Anschaffungskostenprinzip zu 800.000 Euro anzusetzen und zugleich für das Termingeschäft eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften in Höhe von 200.000 Euro zu bilden. Zweites Szenario: Der US-Dollar fällt weiter (Annahme: auf 1,60 US$ pro Euro). Die Forderung wäre damit nur noch 625.000 Euro wert, d.h. es würde ein Forderungsverlust i.H.v. 175.000 Euro drohen. Der Gegenwert des Terminverkaufes läge aber mit 781.250 Euro um 156.250 Euro über dem Wert dieser Forderung. Bei isolierter Anwendung des Imparitäts- und des Realisationsprinzipes wäre die Fordeung mit 625.000 Euro niederstzubewerten (§253 Abs. 4 HGB), aber der höhere Wert des Terminverkaufes wäre gar nicht zu bewerten (Realisationsprinzip). Kompensatorische BewertungWirtschaftlich betrachtet sind aber keine Verluste in voller Höhe der Niederstwertabschreibung bzw. der gebildeten Rückstellung entstanden, weil das Termingeschäft und die ursprüngliche Forderung ja zusammengehören. Sie bilden daher eine Bewertungseinheit. Das bedeutet, daß kompensatorisch bewertet wird:
Erstes Szenario: Der US-Dollar steigt auf die angenommenen 1,00 US$ pro Euro. Die Forderung wäre jetzt mit 200.000 Euro zu bewerten, aber die Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften beträgt nur 18.750 Euro (der übersteigende Verlust des Termingeschäftes). Zweites Szenario: Der US-Dollar fällt weiter auf die angenommenene 1,60 US$ pro Euro. Die Forderung wäre weiterhin mit 781.250 Euro anzusetzen, weil das Devisentermingeschäft den Verfall des US-Dollars kompensiert. Eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften ist nicht zu bilden. Die Regelung zur Bildung von Bewertungseinheiten in §254 HGB ist also so gesehen ein weiterer Ausnahmefall zum Verrechnungsverbot in §246 Abs. 1 HGB. Problematisch ist aber, daß die Bildung von Derivatgeschäften durch diese Regelung begünstigt wird, denn was an Derivaten und anderem finanziellen Giftmüll schlecht ist, muß man heute wohl nicht mehr erklären. Links zum Thema: BilMoG: Gesamtübersicht über die Neuregelungen | BilMoG: das Verrechnungsverbot und seine – teilweise neuen – Ausnahmen | Termingeschäfte: die volkswirtschaftliche Zeitbombe | Optionsgeschäfte: was zum Teufel ist ein Stillhalter? (interne Links) Zur freien Verwendung: BilMoG-Gesamtskript (PDF, 212k) Hinweise auf relevante Inhalte der BWL CD: [Lexikon]: "Bewertungseinheit", "Derivatgeschäft", "Option", "Termingeschäft", "Verrechnungsverbot". [Manuskripte]: "Buchführung Abschlüsse.pdf", "IAS.pdf". |
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Im Gedenken an Harry Zingel, ✟ 12. August 2009
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