Während andere Länder auf die Wirtschaftskrise angemessen mit teilweise kräftigen Steuersenkungen reagieren, kommt aus Berlin nur ein Reförmchen. Neben dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz, von dem Arbeitnehmer und Unternehmer außerhalb des Banksektors nicht direkt profitieren, werden nur wenige Maßnahmen durch das am 5. November beschlossene Maßnahmenpaket "Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung" eingeführt. Ein Überblick über das Reförmchen:
Beschlossene Maßnahmen
Im wesentlichen werden vier Maßnahmen umgesetzt, die jeweils zu einer meist eher geringfügigen Steuerentlastung führen:
- Die erst Anfang 2008 abgeschaffte degressive Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens wird mit einem wird mit einem Maximalsatz i.H.v. 25% befristet für zwei Jahre (2009 und 2010) wieder eingeführt (§7 Abs. 2 EStG).
- Zusätzlich werden in 2009 und 2010 erweiterte Möglichkeiten zur Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen und Investitionsabzugsbeträgen für kleine und mittelständische Unternehmen geschaffen (§52 Abs. 23 EStG).
- Ferner wird die Absetzbarkeit von Handwerksleistungen im haushaltsnahen Bereich ausgeweitet (§35a Abs. 2 Satz 2 EStG). Der maximal abzugsfähige Betrag steigt von 600 auf 1.200 Euro. Das wirkt nicht nur steuersenkend, sondern auch gegen Schwarzarbeit – ein wenig.
- Viel diskutiert wurde bereits die schon seit dem 5. November geltende Befreiung von der Kfz-Steuer für Neuwagenkäufer. Diese gilt zunächst bis zum 30.06.2009, aber für Fahrzeuge, die die Euro-5- und Euro-6-Abgasnormen erfüllen, zwei Jahre ab Erstzulassung. Die Steuerbefreiung endet auf jeden Fall zum 31.12.2010 und gilt nicht für Gebrauchtfahrzeuge. Die Absicht ist hier, den Neuwagenabsatz zu fördern. Ob das angesichts der oft nicht sehr großen Höhe dieser Steuererleichterung gelingt, ist indes fraglich.
Das Gesetz ist allerdings noch nicht im Bundesgesetzblatt erschienen. Das letzte Wort ist also möglicherweise noch nicht gesprochen – zumal derzeit die Steuerdebatte heftiger wird.
Mögliche zusätzliche Maßnahmen
Insgesamt wirken diese vier Änderungen geradezu lächerlich, auch angesichts der offiziellen Rhetorik, daß wir vor der schlimmsten Krise seit 1945 stünden. Es wundert daher nicht, daß über weitere Maßnahmen nachgedacht wird, wenngleich bisher eher noch hinter verschlossenen Türen. Was könnte also noch kommen?
- Umsatzsteuersenkung: England hat die VAT am 1. Dezember von 17,5% auf 15% gesenkt. Das könnte ein Präzedenzfall für den Rest Europas werden, und würde die Bürger merklich entlasten. Oder auch nicht: in England sickerte nämlich auch durch, daß die Steuer danach auf 19% steigen soll. Und ob die Händler die USt.-Senkung weitergeben würden, ist fraglich.
- Einkommensteuersenkung: Die Lohn- und Einkommensteuern könnten durch Änderung der Tarifformel des §32a EStG für alle spürbar gesenkt werden. Das ist schnell umzusetzen, trifft aber nur die, die überhaupt Lohn- oder Einkommensteuer zahlen. Arbeitslose und Hartz IV Empfänger hätten nichts davon.
- Direkte Transfers: Verschiedene Vorschläge werden diskutiert, u.a. "Konsumgutscheine" oder Zuzahlungen bei Anschaffungen im Bereich privater Haushalte. Die Sache hat den Nachteil, kompliziert und bürokratisch zu sein. Sie kann durch Mitnahmeeffekte teuer werden und neue Ungerechtigkeiten produzieren. Zudem ist sie ideologieanfällig.
- Abgabensenkungen: die Senkung des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung von derzeit 3,3% auf 2,8% in 2009 ist schon beschlossen, ebenso aber die Einführung eines Festbeitrages zur Zwangskrankenversicherung i.H.v. 15,5% für alle Kassen. Insgesamt kommt damit für fast alle Versicherte eine deutliche Erhöhung heraus, ein Schritt in eine ganz falsche Richtung. Hier wäre ein erhebliches Potenzial gegeben, von dem viele Menschen profitieren könnten – wenn man sie nur ließe.
- Senkungen der Energiekosten: der noch immer viel zu hohe Staatsanteil beim Strompreis und die ebenfalls weit überhöhte Mineralölsteuer könnten problemlos gesenkt werden, was allen zugute käme. Zudem wäre hier viel einfacher als beim polypolistischen Einzelhandel zu kontrollieren, ob die Steuersenkungen weitergegeben werden. Leider widerspricht das der ökologistischen Staatsdoktrin und ist deshalb nicht sehr wahrscheinlich.
- Subventionen für Unternehmen: das Finanzmarktstabilisierungsgesetz ist ja im Grunde nichts als eine Defacto-Existenzgarantie für den Bankensektor, und über ähnliche Zahlungen und Bürgschaften an die Automobilindustrie wird bereits nachgedacht. Das sichert möglicherweise das Überleben dieser Unternehmen, aber nicht notwendigerweise auch die Arbeitsplätze. Solche Subventionierungen können sogar indirekt ausländische Konzernmuttergesellschaften oder die Auslagerung von Arbeitsplätzen fördern.
- Investitionsprogramme: die Anleihe bei J.M. Keynes ist nach Ansicht des BWL-Boten das wahrscheinlichste Szenario, und erlaubt der Regierung gezielte Eingriffe. Leider ist auch dies nicht ideologieresistent und kann zu Investitionen wie zum Beispiel in "erneuerbare" Energien führen, die eher schaden als nützen. Leider hat sich die Bundesregierung in dieser Hinsicht bisher nicht mit Ruhm bekleckert.
Insgesamt scheint es, daß man den Ernst der Lage in Berlin nicht begriffen hat, oder nicht begreifen will. Was derzeit vorgeschlagen wird, ist eher lächerlich und verdient nicht den großkotzigen Namen "Schutzschirm für Arbeitsplätze", den das Finanzministerium dem Reförmchen verpaßt hat. Es könnte aber sein, daß der Druck der Straße und die Dynamik der Ereignisse hier noch weitere Maßnahmen erzwingen, auch gegen den Willen der Regierung, die anscheinend noch immer nicht zulassen kann, daß es den Menschen in der Substanz besser geht. Das ebenfalls noch nicht im Bundesgesetzblarr veröffentlichte, gleichwohl aber anstehende Jahressteuergesetz wäre eine gute Chance, hier doch noch Entlastung zu schaffen.
Links zum Thema: Totgesagte leben länger: die degressive AfA entsteigt der Versenkung | Strompreise: was es wirklich kostet | Explosion einer Steuer: die Mineralölsteuer seit 1950 | Wie die Windenergie Arbeitsplätze und Rohstoffe vernichtet (interne Links) |