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Prozeßkostenrechnung: Beispiel einer Rechnung | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
In unserem ersten Beitrag zur Prozeßkostenrechnung haben wir angemerkt, daß die Prozeßkostenrechner oft aus einem scheinbar einfachen Verfahren ein außerordentlich kompliziertes System machen, das vielfach kaum mehr praktisch zu handhaben ist. Einem Leser hat dies nicht gefallen. Wir demonstrieren daher die potentielle Komplexität der Prozeßkostenrechnung mit einer Übungsaufgabe, die sich in der Prozeßkosten-Aufgabensammlung im Übungsordner der BWL CD befindet. Auch wenn dies noch per Taschenrechner zu handhaben ist so zeigt es doch, welches Potential an Bürokratie und Unübersichtlichkeit in dem Verfahren steckt – wenn man nicht permanent auf ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Komplexität und Präzision Wert legt: Am Anfang dieses ungewöhnlich langen Artikels steht eine Prozeßliste aus einem Industriebetrieb. Die Liste enthält eine Übersicht aller Verfahrensanweisungen aus dem QM-Handbuch, die im Bereich der Produktion zu berücksichtigen wären (und ist, vergleicht man sie mit wirklichen QM-Handbüchern, noch drastisch vereinfacht). Für jeden Prozeß sind die Kosten bereits hinzugefügt:
Zu dieser Liste gibt es die weiterführende Information, daß die Losgröße der Produktion 30 Stück beträgt. Die in einem Beschaffungsvorgang eingekauften Artikel reichen für 100 Endprodukte. Die Abweichung der Anzahl der produzierten und der ausgelieferten Produkte erklärt sich aus einer Lagerbestandsminderung im Fertigproduktelager von 500 Stück. Im Lager für Unfertigerzeugnisse gab es keine Bestandsänderung. Diese Daten sehen unkostenrechnerisch aus, sind es aber nicht, wie wir weiter unten feststellen werden. Wir halten uns in diesem Beispiel nicht mehr mit der Bestimmung der Kostentreiber auf aber stellen fest, daß einige Prozesse keine Kostentreiber haben. Dies sind die LMN-Prozesse. Alle die Prozesse, für die eien Verursachergröße identifiziert wurde, heißen LMI-Prozesse, denn die Kostensumme hängt von der Kostentreibergröße ab. Da diese Liste, die in der Wirklichkeit noch viel länger wäre zu komplex ist, wird sie auf Hauptprozesse reduziert. Alle Teilprozesse, die gleiche Kostentreiber haben, werden dabei zu einem Hauptprozeß zusammengefaßt und die Kosten addiert. Es gibt also so viele Hauptprozesse wie Kostentreiber – plus die Summe der LMN-Prozesse:
Dividiert man die Kostensumme der LMN-Prozesse i.H.v. 586.000 Euro durch die Summe der LMI-Prozesse i.H.v. 2,93 Mio. Euro, so erhält man den LMN-Zuschlag von 20%. Auf dieser Basis kann die bekannte Prozeßkostenrechnung durchgeführt werden:
Jetzt soll aber noch eine prozeßbasierte Kalkulation durchgeführt werden. Diese sieht wiederum auf den ersten Blick besonders einfach und elegant aus, zeigt gleichwohl die Schwächen des Verfahrens besonders deutlich. So muß der Gesamtkostensatz aus der vorstehenden Prozeßkostenrechnung mit einem Belastungsfaktor multipliziert werden. Dieser entspricht der Anzahl der Prozesse, die durch ein Produkt ausgelöst werden. Da pro Einkaufsvorgang Material für 100 Endprodukte erworben wird, ist die Inanspruchnahme beim Einkaufsprozeß 0,01 mal. Bei der Teilefertigung ist die Inanspruchnahme 2, weil 6.000 Teile 3.000 Produkten gegenüberstehen und die Bestandsänderung im Zwischenlager null ist. In der Arbeitsvorbereitung schließlich ist die Inanspruchnahme ein Dreißigstel, weil die Losgröße 30 Stück beträgt. Das führt zu der folgenden Kalkulation:
Was hier noch auf vergleichbar einfachen Annahmen ruht, kann in einem großen Industriebetrieb zu gewaltiger Komplexität anwachsen – was genau unser einleitender Kritikpunkt war. Schwerer aber wiegt noch ein theoretischer Einwand: die Kostensumme, die hier entstanden ist, ist nämlich eben noch keine Selbstkostensumme, sondern nur die Fertigungskostensumme. Dies ist also keine vollständige Selbstkostenrechnung, auf die man die Zuschläge für Gewinn, Skonti udn Rabatte aufschlagen könnte, wenn es noch unbetrachtete Prozesse gibt: etwa im Bereich des Absatzes, oder auch in allgemeinen Kostenstellen, wären vermutlich noch unbetrachtete Prozeßbereiche. Diese würden die Rechnung noch komplexer gestalten. Sie wäre dann vielleicht genauer als eine traditionelle Zuschlagsrechnung, aber auch viel schwerfälliger. Links zum Thema: Prüfungsrelevant: so funktioniert die Prozeßkostenrechnung | Prozeßkostenrechnung: Hinweise zur richtigen Wahl des Kostentreibers | Häufige Irrtümer: warum nicht alles, was veränderlich ist, auch variabel ist (interne Links) Literatur: Zingel, Harry, "Kosten- und Leistungsrechnung", Weinheim 2008, ISBN 978-3-527-50388-9, Amazon.de | BOL | Buch.de. Auf der BWL-CD ohne Mehrkosten enthalten. Hinweise auf relevante Inhalte der BWL CD: [Lexikon]: "Einzelkosten", "Fixkosten", "Gemeinkosten", "LMI-Kosten", "LMN-Kosten", "Kosten", "Prozeß", "Prozeßkostenrechnung", "variable Kosten". [Manuskripte]: "Lehrbuch der KLR.pdf". [Excel]: "Prozeßkostenrechner.xls". |
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