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Kostenartenrechnung: eine richtig gute Prüfungsknallschote | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Vor einigen Tagen haben wir an dieser Stell eeine grundlegende Aufgabe zur Kostenartenrechnung betrachtet. Mit solchen Aufgaben prüfen die Aufgabenlyriker, ob ein Prüfungsteilnehmer die Sache grundsätzlich verstanden hat. Das allerdings ist noch lange nicht das Ende der Fahnenstange. Hier können Sie herausfinden, wie schwierigere Aufgaben zum gleichen Thema ausschauen. Die zugrundeliegenden Definitionen und elementaren Aufgabengestaltungen setzen wir in diesem Beitrag aber voraus. Auch diese Aufgabe baut auf der Unterscheidung der Vollkostenrechnung in Einzel- und Gemeinkosten sowie parallel auf der Unterscheidung der Teilkostenrechnung in fixe und variable Kosten auf. Die Dinge liegen hier allerdings etwas komplizierter, auch wenn man das der Aufgabengestaltung nicht auf den ersten Blick anmerkt. Über einen serienfertigenden Betrieb, der ein Produkt in drei Varianten fertigt, seien die folgenden Daten bekannt:
Der Zuschlagssatz im Lager betrage 10% und der im Produktivbereich 150%. Die Verwaltungsgemeinkosten seien 36.000,00 Euro/Periode. Die Herstellkosten pro Stück und Periode, die Selbstkosten pro Stück und Periode, der Gewinn und die Grenzkosten pro Stück sind zu ermitteln. Mit einem geeigneten Verfahren ist ferner festzustellen, ob eines der Produkte aus dem Sortiment entfernt werden sollte. Natürlich sollen alle Rechenwege ersichtlich und Entscheidungen begründet sein. Uff... Beim Herstellkostenbegriff fällt uns natürlich zunächst §255 Abs. 2 HGB ein, aber das hier ist eine Aufgabe des internen Rechnungswesens. Dort sollte man wissen, daß die Herstellkosten der Produktion (HKP) aus den Einzel- und Gemeinkosten aller produzierenden Kostenstellen, also den Lager- und Produktionsbereichen, nicht aber der Verwaltung und dem Vertrieb bestehen. Zufällig oder nicht werden uns aber genau diese Daten in der Aufgabe geboten: es ist also einfacher als es auf den ersten Blick ausschaut:
Natürlich haben wir für diesen Lösungsschritt zunächst Die Rohstoffe (FM) und die Fertigungslöhne (FL) genommen und die Gemeinkosten per Zuschlagssatz ermittelt. Die Lösung ist damit nichts als das Kalkulationsschema, das bekannt sein sollte. Natürlich gilt HK = FM + MGK + FL + FGK. Vieles schreckt nur durch komplizierte Begriffe und scheinbar komplexe Rechnungen, ist dann aber ganz einfach. Wie aber kommen wir jetzt zum Gewinn? Wir schießen heute mal scharf und stellen zunächst fest, daß Gewinn = Aufwand - Ertrag ist, hier aber eine Kostenrechnung vorliegt. Wir haben es also eigentlich mit einem Betriebsergebnis zu tun, das man aus der Differenz der Leistungen und den Kosten ermittelt. Das ist eine SPitzfindigkeit, aber solche feinen Unterscheidungen sind im Rechnungvswesen nunmal bedeutsam. An die Summe der Leistungen kommt man, indem man die Verkaufserlöse mit der Stückzahl multipliziert. Wie aber bestimmt man die Gesamtkosten? Hierfür gehen wir von den schon ermittelten HK auf, und schlagen die Verwaltungsgemeinkosten auf (Vertriebsgemeinkosten sind ja nicht genannt). Dabei ist es aber ausgesprochen hinderlich, daß der VwGK-Zuschlag nirgendwo genannt ist. Also müssen wir ihn erst ausrechnen: indem wir einfach die VwGK i.H.v. 36.000 Euro durch die Summe der Herstellkosten i.H.v. 101.800 Euro dividieren, und das ergibt einen VwGK-Zuschlag von 35,36345776%. Damit lassen sich die VwGK den einzelnen Produkten zuordnen:
Daß die Summe der einzeln den Produkten per Zuschlag zugeordneten Verwaltungsgemeinkosten wieder den schon bestens bekannten Betrag von 36.000 Euro ergibt, ist kein Zufall sondern ein Beweis für die Richtigkeit unserer Rechnung. Wir haben damit aber die Selbstkosten (Gesamtkosten) pro Stück und pro Periode ermittelt. Rechnen wie diese gegen die Verkaufserlöse, so kommt das Betriebsergebnis ans Tageslicht:
Hiermit zeigt sich aber auch ein ganz neues Problem, denn Produkt 1 hat offensichtlich ein negatives Gesantergebnis. Sollen wir es also abschaffen? Hierzu denken wir jetzt mal in Teilkostenbegriffen, unterteilen also, anders als oben gezeigt, in fixe und variable Kosten. Die bekannte Grundgesetzmäßigkeit ist, daß Produkte keine Gewinne, sondern nur Deckungsbeiträge haben. Wir müssen also den DB der drei Produkte berechnen und danach entscheiden. Dabei ist wiederum wichtig, daß die Gemeinkosten fix oder variabel sein können, die Einzelkosten aber stets variabel sind. Wir müssen also zu den schon bekannten Einzelkosten die variablen Gemeinkosten addieren. Die einfachen Zuschlagssätze taugen dafür leider nicht. Wo ein Wille ist, findet sich aber meistens auch ein Weg: So sind variable GK schon explizit in der Aufgabe genannt - als "variable MGK" nämlich. Diese addieren wir einfach zu den Einzelkosten. Natürlich müssen wir auch wissen, daß Energiekosten im Produktivbereich ebenfalls stets variabel sind, selbst wenn sie als Gemeinkosten behandelt werden, was meist der Fall ist: auch die Energiekosten sind also als variabel zu berücksichtigen. Gegen den Umsatz gerechnet ergibt das die Deckungsbeiträge:
Dieses Ergebnis aber sagt uns schon, daß kein Produkt aus dem Sortiment geworfen werden sollte, den Produkte haben Deckungsbeiträge und nicht Gewinne. Ist aber der Deckungsbeitrag eines Produktes positiv, so kann es durch Erhöhung der Stückzahl in die Gewinnzone gebracht werden. Würde man dagegen Produkt 1 aus dem Sortiment löschen, so hätte dies eine schlechte Auswirkung auf das Betriebsergebnis, das nämlich nicht um den dann fehlenden Verlust besser, sondern um den fehlenden Deckungsbeitrag schlechter werden würde. Wir können aber anschließend noch unser Ergebnis prüfen, indem wir das Betriebsergebnis auf Teilkostenbasis bestimmen. Hierzu müssen wir nur noch von der Summe der Deckungsbeiträge die restlichen Fixkosten subtrahieren:
Daß wir hier das gleiche Endergebnis erzielen wie in der Vollkostenrechnung beweist die grundlegende Richtigkeit unserer Rechnung und stellt hoffentlich auch die Prüfer zufrieden. Aufgaben dieser Art sind noch nichtmal unrealistisch, denn in vielen Betrieben fehlt es an der grundlegenden Kompetenz, solche Rechnungen aufgrund realer Daten aufzustellen. Kostenrechnungen, die Zinskosten und Zinsaufwendungen verwechseln, steuerliche Abschreibungen einbeziehen oder nicht zwischen variablen und fixen Kosten unterscheiden, sind leider häufig. Es ist daher nicht nur eine Prüfungsvorbereitung, sich mit sowas wie diesem Knallkörper hier herumzuschlagen, sondern auch eine Lebensvorbereitung. Non scholae sed vitae discimus (Seneca, Epistulae 106, 12), nicht für die Schule sondern für das Leben lernen wir. Nie war es wahrer als in der Kostenrechnung! Links zum Thema: Kostenartenrechnung: ein grundlegender Aufgabentyp, und wie man damit fertig wird | Engpaß-Rechnung: wo der dicke Hammer hängt | Häufige Irrtümer: warum nicht alles, was veränderlich ist, auch variabel ist | LMI und LMN: überflüssige Definitionen in der Prozeßkostenrechnung (interne Links) Literatur: Zingel, Harry, "Lehrbuch der Kosten- und Leistungsrechnung", Heppenheim 2004, ISBN 3-937473-05-X, Amazon.de | BOL | Buch.de. Auf der BWL-CD ohne Mehrkosten enthalten. Hinweise auf relevante Inhalte der BWL CD: [Lexikon]: "Einzelkosten", "Fixkosten", "Gemeinkosten", "Kosten", "variable Kosten", "LMI-Kosten", "LMN-Kosten", Teilkostenrechnung", "Vollkostenrechnung". [Manuskripte]: "Lehrbuch der KLR.pdf". [Excel]: "Kostenartenrechner.xls", "Engpaß.xls". |
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