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Hinweise zu mündlichen Prüfungen in rechtswissenschaftlichen Fächern

Immer wieder wurde in der letzten Zeit gefragt, wie eine mündliche Prüfung im Fach "Recht" abläuft. Der BWL-Bote gibt hier einige Hinweise, die auf seiner Erfahrung an Berufsakademien und an der IHK beruhen, aber gewiß auch auf andere Ausbildungsgänge oder Bereiche übertragbar sind.

Mündliche Prüfungen gehen erfahrungsgemäß mehr in die Breite als in die Tiefe. Das heißt, daß Spezialistentum eindeutig ein großer Fehler ist, und selbst Gesetzbücher, wenn nicht ausdrücklich als erforderliches Hilfsmittel angegeben, zwar nicht schaden, aber auch kaum nützen: es kommt eher drauf an, daß man z.B. grundsätzlich weiß, was für Arten von Kündigungen es gibt oder welche Rechte ein Verbraucher bei Sachmängeln der Kaufsache nach dem neuen Schuldrecht an, und weniger auf konkrete Details wie etwa irgendwelche spezifischen Fallgestaltungen.

Dies gilt für Erst- wie für Nachprüfungen gleichermaßen; mit ins Detail gehenden Fragen müssen Sie nur rechnen, wenn der Prüfer weiß, daß Sie über ein bestimmtes Thema gearbeitet haben, also etwa eine Studien- oder eine Diplomarbeit zu diesem Thema geschrieben haben.

Aus demselben Grund sind auch Fallgestaltungen in mündlichen Prüfungen viel kürzer und einfacher als in schriftlichen Veranstaltungen, schon alleine, weil Sie kaum die erforderliche Zeit hätten, sich intensiv in eine Fallschilderung einzulesen, wie es bei schriftlichen Prüfungen der Fall wäre. Ich würde also beispielsweise nicht einen langen Text vorlesen und dann arten, bis der Prüfungsteilnehmer ihn gelesen und durchdacht hat, sondern eher ganz direkt beispielsweise fragen, inwieweit ein Kaufmann aus einer mündlich gegebenen Bürgschaft haftet. Schauen Sie doch mal nach...

Ach ja, im IHK-Betriebswirte-Lehrgang dauern solche Prüfungen so 15, 20 Minuten, die manchmal sogar mit der Frage beginnen, in welchem Bereich Sie denn geprüft werden wollen. Auch wenn Sie sich nicht darauf verlassen können, ein solches Heimspiel zu kriegen, will ich damit doch sagen, daß bisher die Erfahrung stets war, daß die Schriftliche schwerer ist als die Mündliche. Auch im Bilanzbuchhalter-Lehrgang ist es glaube ich nur eine halbe Stunde, und an der Berufsakademie ist es ähnlich: Der Prüfungsstreß hat also immer recht enge zeitliche Grenzen.

Und? Muß der Kaufmann für eine mündlich gegebene Bürgschaft einstehen? Was sagt uns §768 BGB in diesem Zusammenhang?

In jeden Fall wird dringend empfohlen, sich vorher den BWL-Boten anzusehen, wo ich zu mündlichen Prüfungen von Zeit zu Zeit Stellung genommen habe. Am leichtesten findet man diese Beiträge übrigens im thematischen Verzeichnis. In meinem Beitrag "Überlebensstrategien für die mündliche Prüfung" habe ich eine Zahl grundsätzlicher Ratschläge aus meiner langjährigen Prüferpraxis zusammengetragen, die zu beherzigen Ihnen nahegelegt wird.

Wo waren wir noch gleich stehengeblieben? Ach ja, reicht §768 BGB wirklich?

Ach ja, zum Thema Breite und Tiefe: Gezielte Fragen können Fallen sein. Hören Sie beispielsweise einen Satz, der beginnt mit "eine Personengesellschaft wie eine GmbH...", dann ist natürlich die eigentliche Frage viel weniger wichtig als die natürlich von Ihnen erwartete Reaktion, daß Sie sofort bemerken, daß eine GmbH eben keine Personengesellschaft ist. Spezialisten fallen gerne in solche Löcher, also denken Sie dran, daß Sie erst ab der Doktorarbeit immer mehr über immer weniger wissen dürfen. Im Studium ist Generalistentum Trumpf. Und dann denken Sie mal drüber nach, welches Zollformular Sie brauchen, wenn Sie eine Ware nach Frankreich exportieren wollen...

Also, §768 BGB... wenn Sie den kennen, könnten Sie auch in eine Falle tappen, denn Sie müssen auch §350 HGB im Blick haben, und zwar im Blick des inneren Auges - zum Suchen bleibt Ihnen in der mündlichen Prüfung keine Zeit, weder zum hektischen Blättern im BGB noch zum Rascheln mit dem Handelsrecht.

Aber was um alles in der Welt bedeutet der §350 HGB jetzt in Bezug auf §768 BGB??

Ach ja, Zoll nach Frankreich?? Richtig, wieder eine prachtvolle Falle: Seit Maastricht gibt es in der EU nämlich keine Zollgrenzen mehr. Es gibt also keinen Zoll nach Frankreich, und also auch kein Zollformular - die Frage ist bewußt so gestellt, als sei das Vorhandensein eines Zollformulars doch ganz selbstverständlich. Das ist ein gefährlicher Typ der mündlichen Prüfungsfrage, denken Sie also stets fundamentalkritisch und lassen Sie sich nicht durch scheinbare Selbstverständlichkeiten auf Glatteis führen: noch heftiger wäre die Frage übrigens gewesen, wenn ich nicht gefragt, hätte, welches Zollformular Sie brauchen, denn wenn Sie keine solchen Formulare konkret kennen sollten bestünde noch eher das Risiko, daß Sie grundsätzlich nachdenken, sondern wenn gefragt würde, was auf das Carnet ATA beim Export nach Frankreich geschrieben werden muß. Hier scheint es selbstverständlich zu sein, daß dieses bestimmte Formular erforderlich ist - und daß schon hier die eigentliche Hürde sitzt, wird schon durch die Frage selbst gar nicht mehr problematisiert. Stattdessen rätseln viele Prüflinge jetzt über das Carnet ATA: "wofür war das noch gleich?" statt "brauche ich doch gar nicht!".

Und die Formfreiheit des Kaufmannes nach §350 HGB? Richtig: Der Kaufmann ist auch an eine mündliche Bürgschaft gebunden, im Gegensatz zum Nichtkaufmann. Die gesetzliche Formerfordernis bei Bürgschaften, die das BGB generell anordnet, soll nicht für Kaufleute gelten - das bürgerliche Recht schützt nur Nichtkaufleute, während Kaufleute durch größere Rechtskenntnis und praktische Erfahrung eher zum Selbstschutz fähig sein sollen.

Ach ja, es gibt es dann doch noch ein Formular auf dem Weg nach (oder besser: durch Frankreich, wonach zu fragen jetzt garantiert mein nächstes Unternehmen wäre. Und wenn Sie jetzt "Intrastat" rufen, haben Sie das Sahnehäubchen kassiert.

Und schlußendlich: eine beliebte Nachfolgefrage zu der Sache mit der Bürgschaft ist übrigens die berechtigte Frage, was zum Teufel man wohl unter der scheinbar so unverständlichen "Einrede der Vorausklage" versteht, zu besichtigen in §349 HGB, also ganz in der Nähe.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen auf dem Weg in die mündliche Rechtsprüfung ein wenig helfen...

Links zum Thema: Prüfungsfragen, in die Breite und in die Tiefe | Überlebensstrategien für die mündliche Prüfung | Unkonventionelles Denken: ein Beispiel (interne Links) Kommentar zu §350 HGB | Mehr Infos zu Zoll und Intrastat im Dienstleistungsportal des Bundes (externe Links)


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