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Leserzuschrift vom 09.03.2006

Der launige Herr Müntefering
oder warum es schade ist, daß man Politikern nicht einfach mal eine in die Fresse hauen kann

Absender: E. Volk

Jetzt wissen wir es also: Besonders die Geringverdiener weigern sich, für ihr Alter anzusparen. Dabei hätten die das doch besonders nötig, weil ihre Rente eh nicht reicht. Und, so zu hören gestern bei n-tv von einem sehr launigen Herrn Müntefering: Daran, daß die Leute jetzt selbst für ihr Alter sparen müßten, seien sie doch selbst schuld, sie hätten ja schließlich auch Kinder in die Welt setzen können. Das hat mich doch sehr erstaunt. Wie man sich so an Fakten vorbeiorientieren kann, die ansonsten in jeder Zeitung nachzulesen sind und die Volkes Mund schon lange von den Dächern pfeift.
In Thüringen, so war in den letzten Tagen in der Thüringer Allgemeinen nachzulesen, arbeitet (!) schon jeder zweite für ein Entgelt, das unter dem Existenzminimum liegt. Das ist der Spitzenplatz in Deutschland. Wir haben also längst den Zustand, der in Deutschland alles besser machen soll.
So gilt wohl für Thüringen in besonderem Maße, was die oberen Etagen dunkel ahnen. Leute, jetzt schon ergänzendes ALG2 beantragen müssen, weil ihr Verdienst nicht einmal mehr für die bloße Existenz ausreicht, werden im Rentenalter weiter die Sozialkassen belasten.
Also müssen sie gezwungen werden, selbst für ihr Alter vorzusorgen.
Wahrscheinlich, weil 131 Euro, die einem ALG2 Empfänger als Bedarf für Nahrungsmittel zugebilligt werden (das sind ja immerhin üppige 4,30 Euro am Tag!) noch viel zu viel sind.
Schließlich hätten die ja Kinder in die Welt setzen können! Dumm ist nur: Das haben die auch. Zumindest die, die heute um die 50 sind, die, entgegen aller Ammenmärchen, häufig gut qualifiziert sind, die jahrelang benutzt worden sind von ihren Arbeitgebern, um sie jetzt mal einfach wegzuwerfen. Deren Kinder erwirtschaften die Rente - für andere.
Thüringen spart: Elternbeiträge für Kindergärten, zum Beispiel. Wegfall der Schulhorte, in denen schon lange keine Hausaufgaben mehr gemacht werden dürfen, weil man Horterzieherinnen sonst ein paar Euro mehr hätte zahlen müssen. Schulbücher auf Kreationistenniveau. Und dies ließe sich beliebig fortsetzen.
148 Millionen Euro, die die Agentur für Arbeit im vorigen Jahr an Bildung gespart hat. (TA vom 04.01.2006) Unterstellt man, daß eine Maßnahme für einen Arbeitslosen etwa 15.000 Euro kostet, bedeutet das: 9.866 Thüringer Arbeitslosen wurde die Möglichkeit verwehrt, fachlich Anschluss an den Arbeitsmarkt zu finden.
9.866 Thüringer, die sich bewerben sollen, bundesweit, für Dumpinglöhne, für Jobs, die es trotzdem nicht gibt. Damit sie weiter vom ALG II auf Rente sparen können, statt selbst Rentenansprüche zu erwerben.
Die Zukunft liegt, wenn überhaupt, bei den hochqualifizierten Jobs. Das pfeift nicht nur der Volksmund, sondern auch mancher Wirtschaftsweiser vom Dach.
Thüringer sind arm, weil viele bereit waren, auf manches zu verzichten. Jetzt müssen sie sie auch dumm werden, damit sie nicht merken, daß ihr Verzicht nichts bringt. Nicht für sie, nicht für ihre Kinder, nicht für ihre Enkel. Sie sollen ihn schlucken, den lapidaren Satz vom Arbeitsberater, daß Qualifizierung nichts bringe.
Daran, daß sie ihren Verstand benutzen in hochqualifizierten Jobs und anderswo, hat nun wirklich kein Politiker Interesse.
E. Volk

Leserbriefe geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers des BWL-Boten wieder und werden nur mit Absender- bzw. Verfasserangabe veröffentlicht. Es besteht kein Anspruch auf Veröffentlichung oder ungekürzte Veröffentlichung einer Leserzuschrift.

Anmerkung des BWL-Boten: Hier trifft jemand offensichtlich den Nagel auf den Kopf. Münteferiung hat seinen Wählern aber schon früher die eine oder andere Knallschote zugemutet, beispielsweise dieses Ding hier.

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