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Die Kunst der Lüge? Ansichten eines Außenseiters über das Personalwesen | ||||
Als Mann an der Maus bin ich Zahlen, Daten und Fakten gewohnt. Ein Programm läuft oder es läuft nicht. Dazwischen gibt es nichts. Codezeilen lügen nicht. Computer versagen zwar dann und wann, aber sie tun das wenigstens ehrlich: mit einer Fehlermeldung, bisweilen auch ganz in Blau. Wer weiß, wo er IRQ_LESS_OR_EQUAL zu suchen hat, der repariert die Situation, so einfach ist das. Mit Schrecken und Entsetzen sehe ich da, was bisweilen in der Personalabteilung so vor sich geht. Das Leben kann so verlogen sein...
Da belauern die Personaler ihre Klienten, die ihrerseits wieder auf ihr Recht auf Lüge pochen, ach nein, sie nehmen es in Anspruch, aber pochen nicht drauf, jedenfalls nicht zu laut. Es wird kommuniziert, aber nicht über die wahren Ziele und Motive, und Fehlermeldungen verbergen sich hinter einem Geheimcode. Schließlich darf in Arbeitszeugnissen nichts Negatives stehen, auch nicht über tatsächlich negative Leistungen des Beurteilten. Wie einfach ist es da doch, mit IRQ_LESS_OR_EQUAL in einem Bluescreen umzugehen. Ein Thema für sich ist die komplexe Ausdrucksweise in Stelleninseraten. Wer deren Geheimsprache nicht versteht, weiß nicht, was "Teamfähigkeit" bedeutet, und wie viele unbezahlte Überstunden sich hinter dem Wort "belastbar" verbergen. "Flexibilität" schließlich ist ein wahres Zauberwort im Personaler-Dummsprech, bedeutet es letztlich doch, daß der werdende Mitarbeiter immer und überall für alles zur Verfügung zu stehen habe. Und natürlich weiß auch keiner der Jobsuchenden, daß die Hälfte der Stellenanzeigen in Wirklichkeit Produkt- oder Firmenwerbungen sind: viel billiger im Stellenteil der Zeitung plaziert, und dort viel aufmerksamer gelesen. Bewerbung gleichwohl zwecklos. Eine Welt der Lüge tut sich auf... Nicht anders ist das bei den Gehaltsforderungen, die voreinander verborgen oder nur gegen Bares in einschlägigen Datenbanken preisgegeben werden: erlaubt das wohlgehütete Geheimnis doch dem Personaler, die Leute gegeneinander auszuspielen. Schließlich fliegt ohne Frist, wer über das Entgelt plaudert. Da sind Singvögel selten. Die Werkstatt, die meine Computer baut, ist da ehrlicher: die schicken ein Angebot. Wer sich auf dem Arbeitsmarkt anbietet, muß regelrechte Ratespiele absolvieren, und bleibt immer mit dem Gefühl zurück, sich unter Wert verkauft zu haben. Noch schlimmer sind die Ethik-Statements und anderen dummen Sprüche, die aus den oberen Führungsetagen bisweilen zu hören sind: Die Mitarbeiter seien das wichtigste Kapital, heißt es dort, und vom "internen Kunden" wird schwadroniert. Der kriegt dennoch einen Tritt in den Allerwertesten, wenn die geschäftliche Lage das erfordert. Mag sein, daß es wirklich notwendig ist, aber muß man vorher so grob belogen werden? Wäre ein wenig Ehrlichkeit vorneweg nicht dem Arbeitsverhältnis zuträglich? Bisweilen schwappen die Lügen aus dem Personalwesen sogar in die Aus- und Fortbildung: als Erwachsenenbildner verstehe ich mich als jemand, der den Leuten Wissen, Können und Erkennen vermittelt. Eine Prüfung zu bestehen ist dabei das Nahziel, und Wissen produktiv am Arbeitsplatz einzusetzen, also an Aufgaben zu wachsen und Probleme lösen zu können, das ist der eigentliche Zweck der ganzen Bildungsoperation. Wie mutet es da an, wenn erbärmliche Feiglinge aus der Personaletage die Durchfallerquote vorher durchgeben, um selbst die Entscheidung nicht fällen zu müssen: so werden auch die Dozenten mißbraucht. Eigentlich ist die Politik die Kunst der Lüge, und die Diplomatie ihre hohe Schule. Die Diplomaten der Unternehmen finden sich aber nicht im Verkauf, sondern im Personalwesen. Das macht es für die Arbeitnehmer nicht leichter, die über die wahren Ziele in Dunkelheit gelassen und durch Angst vor Arbeitsplatzverlust gefügig gemacht werden. Dummheit, Angst und Armut sind die Herrschaftsmechanismen der Politik, und das ist eine Lektion, die die Unternehmer gut gelernt haben. Der Fisch stinkt vom Kopf, sagt der Volksmund. Das gilt auch für den Verfall der Unternehmenskultur, der dem Verfall der politischen Kultur in diesem Lande folgt. Links zum Thema: Lohndumping: wie Arbeitsverhältnisse zum Nulltarif betrieben werden | Personalwesen-Bereich im Forum für Betriebswirtschaft (interne Links) |
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Im Gedenken an Harry Zingel, ✟ 12. August 2009
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