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Vom deutschen Wesen, oder der Anspruch auf Glück |
Viele der gegenwärtigen kindischen Zankereien in Wahlkämpfen und anderen politischen Peinlichkeiten versteht man erst, wenn man die zugrundeliegenden Prinzipien und Mechanismen aufdeckt. Das aber ist schwierig, denn die stehen nicht im Gesetzbuch – oder etwa doch? Wagen wir mal einen tiefen Blick hinter die Kulissen: So werden Grundannahmen und Weltanschauungen nicht oft ausgesprochen. Sie sind meist nur unter der Oberfläche wirksam. Bisweilen stehen sie aber auch klipp und klar in Artikeln und Paragraphen. Dort muß man sie aber auch finden: "We, the People" beginnt die US-Verfassung, "Wir, das Volk". Schon das eine Leistung, die man weder im Grundgesetz noch in den noch viel undemokratischeren EU-Vertragswerken findet. Gerade von einer solchen undemokratischen Macht hatten sich die 13 britischen Kolonien in Nordamerika am 4. Juli 1776 losgesagt – mit der Unabhgängigkeitserklärung, einem der großartigsten Dokumente der Weltgeschichte: »Life, Liberty and the Pursuit of Happiness«Diese Worte, die Thomas Jefferson aufgrund der Schriften von John Locke verfaßte, passen gut in unsere heutige Zeit, denn man kann sie mit dem deutschen Grundgesetz oder gar der EU-Charta der Grundrechte vergleichen. Dabei freilich entsteht ein vernichtendes Bild. "Leben, Freiheit und die Suche nach Glück" sind nämlich im amerikanischen Rechtssystem die einzigen Grundrechte. Auf Leben, Freiheit und die Suche nach Glück, hat jeder Mensch einen natürlichen Anspruch, die Suche nach Glück, nicht aber einen verbrieften Anspruch auf das Erreichen von Glück. Hier aber steckt ein tiefgreifender Unterschied zur anscheinend sehr europäischen Anspruchsmentalität. Werfen wir nämlich einen Blick in das deutsche Grundgesetz, so finden wir eine Vielzahl von Anspruchsregeln. Schon die Grundrechte, Art. 1 bis 19 GG, verbriefen nicht (nur) das Recht auf Leben und Freiheit, sondern einen Anspruch auf Glück. Wie aber kann man den garantieren? Ähnlich ist es in der EU-Charta der Grundrechte, die in den gescheiterten EU-Verfassungsvertrag integriert worden war und auch im neuen EV-Vertrag erscheint: Neben Leben und Freiheit findet man dort ganze 54 Artikel mit einer Vielzahl von Ansprüchen des Einzelnen, die in der Summe einen Anspruch auf Glück verkörpern, darunter so entlegene Dinge wie einen Anspruch auf eine "gute Verwaltung". Wer aber soll das alles garantieren, und wie? Demokratischer Anspruch und politische WirklichkeitIn dem Zusammenhang fällt auf, daß weder das Grundgesetz noch der EU-Vertrag Verfassungscharakter haben, denn das setzt voraus, daß das jeweilige Regelwerk vom Volk in seiner Eigenschaft als Volksksouverän ausgegangen ist. Dies freilich ist nicht der Fall: Im Grundgesetz steht in Art. 146 klipp und klar für alle zu lesen, daß dieses von den Alliierten Siegermächten diktierte Gesetzeswerk weder vom Deutschen Volke noch demokratisch beschlossen wurde, also keine Verfassung ist. Dieser fortwährende Zustand der nationalen Versehrtheit läßt interessante und weitreichende Schlüsse auf die Legalität und Wirksamkeit der gegenwärtigen Gesetzgebung zu, die an dieser Stelle zu diskutieren aber den gegebenen Rahmen sprengen würde. Ebenso undemokratisch wie das Grundgesetz sind aber auch die EU-Verträge in ihren diversen Versionen zustandegekommen, denn das Volk wurde nie gefragt. Als man aber 2005 in Frankreich und in den Niederlanden den Fehler machte, das Volk über die EU-Verfassung zu befragen, scheiterte diese prompt – und wird nun über die Hintertür als neuer EUdSSR-Vertrag fern von Volkes Wille in Brüssel ins Werk gesetzt. Besteht hier aber ein weiteres verborgenes Grundprinzip? Es hat nämlich den Anschein, daß vom Volk ausgehende Regelungen, wie die US-Verfassung und die ihr vorausgehende Unabhängigkeitserklärung, in dem Sinne realistisch sind daß sie nur versprechen, was auch gehalten werden kann – nämlich Leben, Freiheit und die Suche nach Glück. Für undemokratische Systeme ist aber gerade typisch, daß eine Vielzahl von Scheinrechten aufgebaut werden, die dann aber gerade nichts bewirken – und auf diese Weise die Herrschaft der Mächtigen sichern. Das aber bringt uns zurück ins 18 Jahrhundert... Die Boston Tea PartyIm Siebenjährigen Krieg hatten die 13 britischen Kolonien in Nordamerika, für die die 13 rot-weißen Streifen der US-Flagge bis heute stehen, ihre Interessen gegen das Mutterland und gegen Frankreich verteidigt. Nach 1763 versuchte die britische Regierung, die Kriegskosten in Gestalt von Steuern und Abgaben von den Kolonien hereinzuholen, was am 16.12.1773 zu einem Akt des zivilen Ungehorsams führte: als Indianer verkleidete Bostoner Bürger drangen in den Hafen ein und warfen die Ladungen der Schiffe der englischen East India Trading Company ins Hafenbecken, die Boston Tea Party. Dieser Akt des Widerstandes war der historische Anfangspunkt der Loslösung der britischen Kolonien, der in der Unabhängigkeitserklärung gipfelte. Auch die Europäer sind von Steuern gedrückt, und die künstlichen Verteuerungen und Verknappungen durch Ökologismus und Klimareligion kommen verschärfend hinzu. Auch sie dienen aber nicht der Umwelt, sondern der Aufrechterhaltung politischer Macht. Sie sind ein Akt des Kolonialismus, aber nicht gegenüber einer fernen Kolonie sondern gegen das eigene Volk. Sie sind damit auch ein Rückschritt in den Feudalismus – was gut ins Bild paßt, denn die Amerikanische Unabhängigkeitserklärung und die US-Verfassung sind Früchte der Aufklärung, aber die irrationale Klimareligion führt uns gerade zurück ins Mittelalter voller Teufel und Dämonen, die in "moderner" Form der fleißig geschürten Klimakatastrophenängste wiederkehren. Wer aber in die Zeit vor der Aufklärung zurückkehrt darf sich nicht wundern, wenn er auch ein Herrschaftssystem aus dieser Zeit zurückerhält: Nie seit den Zeiten des Feudalismus hat sich die Politik so weit vom Volk entfernt wie heute. Nie seit dem Sonnenkönig war sie so realitätsfern, arrogant und aggressiv wie in Zeiten von Ökologismus und Schnüffelstaat. Wir brauchen keinen Kriege, weder siebenjährige noch sonstwelche. Aber wir brauchen wieder eine neue Aufklärung. Die könnte zu einer guten Regierung führen, die diesen Namen auch verdient. Weder in Berlin noch in Brüssel ist derzeit aber eine "gute Regierung" zu finden. Wir haben den Anspruch darauf nur dem Buchstaben nach, aber undemokratische Regelwerke lügen ebenso wie undemokratische Herrschaftssysteme. Nach dem Glück suchen müssen wir immer noch selbst. Jeder Anspruch auf Glück ist eine Illusion, eine Lebenslüge. Wir müssen uns immer noch selbst drum kümmern. Eine Neuauflage der Boston Tea Party wäre vielleicht ein guter Anfang. Der könnte auch in einer Verfassung münden, die diesen Namen verdient, d.h. die vom Volke ausgeht. 1989/90 war die Generalprobe, die aber nicht da geendet hatte wo man hierzulande gehofft hat, daß es hinführen würde. Ob wir freilich die Kraft für den eigentlichen Akt noch haben, muß die Zeit zeigen. Einstweilen bezweifele ich dies aber... Links zum Thema: Deutschland noch immer ohne Verfassung: Kommentar zu Art. 146 GG | Nein zu Europa! Es reicht! Schluß damit! Volkes Stimme spricht... | Nee! Auch die Niederlande stimmen gegen den EU-Verfassungsvertrag | Reale Steuerquote bei Arbeitnehmern | Wo es rückwärts vorwärts geht: über Produktivität, Knappheit und Herrschaft (interne Links) |
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Im Gedenken an Harry Zingel, ✟ 12. August 2009
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