Der kostenlose Newsletter der BWL CD © Harry Zingel 2001-2009 |
Mehr wissen, mehr können, mehr sein! |
Startseite | Copyright | Rechtschreibung | Link mich! | Impressum | Blog | |
Der Meister, der kein Master ist: |
Immer mehr Diplome, Zertifikate und andere Bildungsabschlüsse sollen aus Gründen der internationalen Vergleichbarkeit auch englische Titel haben. Die damit verbundene Standardisierung entlang angelsächsischer Gepflogenheiten ist jedoch sehr oberflächlich. Viele Berufsbezeichnungen sind nicht so einfach übersetzbar. Insbesondere leidtragend: die Fortbildungsteilnehmer der Industrie- und Handelskammern. So kennt jeder, der Englisch lernt, die sogenannten "False Friends", Worte ähnlichen Klanges aber sehr unähnlicher Bedeutung: so darf man beispielsweise "eventually" nicht mit "eventuell" verwechseln und der Kalender an der Wand ist ein "Calendar", aber das Ding auf dem Bildschirm oder in der Aktentasche dagegen ein "diary" oder ein "organizer", wohingegen aber eine "dairy farm" keine Anpflanzung von Taschenkalendern ist, sondern ein Betrieb, der Milchprodukte herstellt. Nicht anders ist es im Bildungsbereich, wo ein deutsches "Gymnasium" keineswegs dasselbe ist wie ein englisches "gymnasium" (Sporthalle, Turnhalle). Die richtige Übersetzung für die höhere Schule wäre "high school", was wiederum die Universitäten nicht erfreut: Die Weimarer "Hochschule für Musik" beispielsweise, ein Ort der Elitebildung hoher Reputation, ist eben keine "High school for music", also kein gewöhnliches Musikgymnasium, sondern eine "University of Music". Absolventen müssen das oft erklären, wenn sie ins Ausland gehen und dort erstmal zu gering eingeschätzt werden. Sowas zählte früher zu den Kalauern, ist inzwischen aber im Zeitalter der Globalisierung ein ernstzunehmendes Problem geworden. Die richtige, also auch im angelsächsischen Raum verstandene Bezeichnung der Lehranstalt und des Abschlusses ist inzwischen ein wesentliches Managementproblem. So nennt sich beispielsweise eine Berufsakademie "University of Cooperative Education", zweifellos eine gute Wahl - aber ist eine Berufsakademie schon eine "Universität", oder kann das im Ausland als Etikettenschwindel mißverstanden werden? Das Problem betrifft auch die nichtakademischen Abschlüsse, und dort besonders die der Handwerkskammern sowie der Industrie- und Handelskammern. Die sind nämlich oft besser als ihr Ruf, haben aber keine internationale Entsprechung und damit auch keine "gute" Übersetzung. So ist wer einen Meisterbrief besitzt ein Meister, aber eben kein "Master", denn das Master-Degree erwirbt man nur an Universitäten, zunehmend auch an deutschen, wo nämlich die bewährte Dreieinigkeit aus Diplom, Doktorat und Professur zunehmend durch den Dreiklang aus Bachelor, Master und PhD ersetzt wurde. Die Übersetzung "Master" für einen Meister wäre also grob irreführend, möglicherweise mit (negativen) Folgen für den Inhaber des Papiers. Ähnlich ist es mit den Zertifikaten der Industrie- und Handelskammern. "Geprüfter Betriebswirt" ist eben nicht "bachelor of business administration" (und schon gar nicht "Master of Business Administration", MBA), höchstens "graduate in business administration", aber das ist in den USA kein standardisierter "bekannter" Titel und führt wiederum zu mehr Rückfragen als es dem eine Stelle suchenden Absolventen lieb sein kann. Und zudem ist das "Graduate" oft mit dem deutschen Diplom assoziiert, und nicht mit dem IHK-Abschluß. Auch wir können keine einfache Lösung für dieses Problem anbieten, sondern nur darauf hinweisen: wenn es im Ausland keine Handwerkskammer gibt, und die dortige IHK ("Chamber of Commerce") keine Aus- und Fortbildungen betreibt (und also auch keine Abschlüsse vergibt), dann gibt es auch keine international üblichen Bezeichnungen für die Zertifikate. Für die Absolventen dürfte das ein Problem bleiben, wenn sie sich im Ausland bewerben - und sie sollten stets gleich in einem kurzen Absatz im Anschreiben erläutern, was der Abschluß wirklich ist und wer ihn anbietet. Spielraum für Interpretationen und Mißverständnisse wird gleichwohl immer bleiben. Links zum Thema: Der olle Willi, oder was die IHK besser kann als eine Universität | Der frühe Gockel, oder was ein »Technischer Betriebswirt« wert ist | Kommentare zu diesen Artikel im Forum für Betriebswirtschaft (interne Links) Großes Online-Wörterbuch (externer Link) |
© Harry Zingel 2007; Erlgarten 8, 99091 Erfurt, Tel. 0172-3642082, 0361-2606029, Fax 0361-2118928
© Harry Zingel 2001-2008
Im Gedenken an Harry Zingel, ✟ 12. August 2009
Zurück zur Hauptseite: http://www.bwl-bote.de