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Von der Magie des Zinstermins: wenn die Bank den Kunden verhext

Zins- und Zinseszinsverläufe sind nichtlinear, und daher sehr schwer einzuschätzen. Das wissen die Banken ganz genau, aber nicht die meisten Schuldner. Schauen wir mal, was das für Folgen hat:

1.000 Euro Schulden zu 12% Zins über 12 JahreAus wenig Geld kann eine große Summe werden, die aber meist ein Minuszeichen vorangestellt hat. Läßt beispielsweise jemand auf einem Girokonto bei 12% Zins pro Jahr eine Schuld von 1.000 Euro liegen, so hat sich der Betrag in 12 Jahren fast vervierfacht: 1.000 Euro Schulden und 2.895,98 Euro Zinsen und Zinseszinsen, per Saldo 3.895,98 Euro. Schuldnerkarrieren beginnen meist so, daß der Zinseszinseffekt über lange Zeit unterschätzt wird. Und dann streicht die Bank erst die Kreditlinie und dann den Schuldner...

Noch drastischer kann das bei Sparguthaben sein: Legt Großmutter ein Leben lang pro Monat 100 Euro in ein Sparguthaben mit 5% Zins, so sind die Enkel nach 76 Jahren Millionäre. Dabei beträgt die Summe der Einlagen am Ende nur 91.200 Euro, die Zinsen und Zinseszinsen machen aber 953.527 Euro aus. Wer hätte das gedacht? Sicher nicht die Enkel und schon gar nicht die Großmutter: wenn die nämlich eine Effektivverzinsung berechnen kann wird sie möglicherweise feststellen, daß Renten- und Lebensversicherungen mit Einmalauszahlung oft einen (etwas) höheren Effektivzins haben, wenn sie nur zehn oder zwölf Jahre laufen: die Versicherungspsychologen wissen genau, daß kaum jemand langfristige Zinseszinsentwicklungen abschätzen kann oder berechnen will, so daß die hohen Werte, die sich dann ergeben, einen geringeren Effektivzins erlauben ohne daß es der Kunde merkt.

Vergleicht man das Girokonto mit der Schuld und das Spar- oder Anlagekonto mit dem Guthaben, dann fällt noch was ganz Anderes auf: die Guthabenbeträge werden in der Regel ein Mal pro Jahr verzinst, die Girokonten hingegen vier Mal im Jahr abgerechnet. Was zum Teufel hat das zu bedeuten?

Liegt unsere Beispielschuld von 1.000 Euro zu 12% ein Jahr auf einem Konto, das ein Mal pro Jahr abgerechnet wird, so beträgt der Saldo dieses Kontos nach einem Jahr offensichtlich 1.120 Euro, weil nämlich 12% oder 120 Euro Zinsen hinzugekommen sind. Bei einem Girokonto würde aber schon nach einem Vierteljahr ein Viertel des Jahreszinses abgerechnet werden. Schon nach drei Monaten wäre der Saldo also 1.030 Euro. Diese 30 Euro Vierteljahreszins würden sich aber noch drei weitere Quartalsabrechnungen mitverzinsen. Man hätte also nach sechs Monaten 1.060,90 Euro, nach neun Monaten 1.092,727 Euro und nach einem Jahr nicht 1.120 Euro, sondern 1.125,51 Euro Saldo. Die Schuldverzinsung ist damit höher, wenn vier Abrechnungstermine berechnet werden. Die Effektivverzinsung läge hier über 12%.

Der Unterschied ist nicht immer so geringfügig wie hier: liegen unsere 1.000 Euro Schulden zu 12% zwölf Jahre auf dem Konto, so ergeben sie am Ende dieser Zeit bei einem Zinstermin den oben genannten Saldo von 3.895,98 Euro; auf einem "normalen" Girokonto mit vier Zinsterminen wären es aber 4.132,25 Euro. Die Magie des Zinstermins...

Ähnliches gilt übrigens auch bei Leasing- und Versicherungsverträgen - die aber oft monatlich abgerechnet werden, also 12 Zinstermine haben. Und anders als im Falle des Bankkredites muß der Leasinggeber die in seinem Vertrag steckenden Effektivzinsen nicht offenlegen, was Wucherzinsen Tür und Tor öffnet.

Diese Offenlegungspflicht unterlaufen die Banker inzwischen auf andere Art: sie machen zwar ein günstiges Kreditangebot, das auch tatsächlich (also unter Berücksichtigung der Hexerei mit den Zinsterminen) günstig ist, aber kurz vor Vertragschluß entdeckt der Kunde, daß er dieses günstige Angebot nur mit einer Restschuldversicherung, einer begleitenden Lebensversicherung und/oder einem Bausparvertrag zusammen abschließen kann. Die machen das ganze dann wieder teuer - Effektivzinsen unter 10% sind selten, über 20% hingegen häufig. Wenn man solche Koppelgeschäfte insgesamt betrachtet. So also verhext die Bank ihre Kunden. Denken Sie mal vor dem nächsten Bankgespräch drüber nach!

Links zum Thema: Wirklich so günstig? Warum Leasing sich nicht lohnt | Das Geheimnis des Annuitätendarlehens, oder was Ihre Bank Ihnen nicht verrät | Skontozins: wenn Du nicht mehr weiter weißt... | Zinsinfo-Verordnung tritt in Kraft | Formelsammlung der BWL (interne Link)

Hinweise auf relevante Inhalte der BWL CD: [Lexikon]: "Effektivzins", "EZB-Zins", "interner Zins", "Zinsen", "Zinseszinsformeln", "Zinsfuß, effektiver", "Zinsfuß, interner", "Zinsrechnung", "Zinstermin". [Manuskripte]: "Finanzierung Skript.pdf", "Formelsammlung der BWL.pdf", "Investition Skript.pdf". [Excel]: "Darlehen.xls", "Interner Zinsfuß.xls", "Leasing.xls".
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