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Kapitalwertrechnung: Wo der Untergang droht

Schon immer müssen Prüfungsteilnehmer sich mit der Kapitalwertrechnung herumschlagen. Das auch als Barwertmethode oder Discounted Cash Flow Method bekannte Verfahren ist aus kaum einer Prüfung wegzudenken. Das wissen auch die Aufgabenpoeten der Industrie- und Handelskammern. Und wie wir es von ihnen gewohnt sind, haben sie aus anscheinend eher problemloser Finanzmathematik wieder eine knallharte Prüfungsknallschote gezaubert. Plaudern wir also wieder mal ein paar Geheimnisse aus:

Dabei ist nicht neu, daß die Barwertmethode zu den Lieblingsthemen der Kammerlyriker gehört. Nicht ohne guten Grund berichteten wir an dieser Stelle schon vor einiegr Zeit über eine echte Prüfungs-Knallschote. Diesmal gehen die Anforderungen aber wirklich durch die Decke. Wer das hier nicht vorher kennt, hat kaum eine Chance in der Prüfung. Betrachten wir jalso ein kleines Geheimnis, das ich ohnehin nicht für mich behalten könnte...

Eher unauffällig beginnt der Untergang jedes schlechtvorbereiteten Prüfungsteilnehmers mit Daten, die zunächst nichts Böses ahnen lassen, und jeder einigermaßen anstände Dozent hat solche Aufgaben bis zum Erbrechen mit seinen Schäfchen geübt: Eine Unternehmung plane ein neues Investitionsprojekt, und dafür seien die folgenden Daten bekannt:

1.Anschaffungsauszahlung zu Beginn des Projektes5 Mio. Euro
2.Voraussichtliche Nutzungsdauer:7 Jahre
3.Maximalkapazität der Maschinen:60.000 Stück/Periode
4.Fixe Auszahlungen:850.000 Euro/Periode
5.Variable Auszahlungen:140 Euro/Stück
6.Verkaufspreis am Absatzmarkt (Annahme: Polypol):180 Euro/Stück
7.Gegenwärtiger Kalkulationszinsfuß (=Mindestrentabilität) des Unternehmens:10,00 %

Es soll überprüft werden, ob die Investition sich lohnt. Scheint unproblematisch zu sein, obwohl die Datenlage doch nicht so ganz auf die Standardbeispiele paßt, denn zusätzlich sind die Auslastungsdaten gegeben: Die Anlage arbeitet nicht immer in Vollast, sondern in den sieben Rechnungsperioden mit 50%, 75%, 90%, 95%, 95%, 90% und 70% Auslastung. Wer gelegentlich im Unterricht lustweilte, sollte jetzt in der Lage sein, die folgende Tabelle aufzustellen, wobei schon hier Grunderkenntnisse der Kostenrechnung analog angewandt werden müssen, neben dem Wissen und dem Können also schon hier das Erkennen vorausgesetzt wird:

tLeistungEinzahlungenAuszahlungenZahlungssaldoBarwert
0   5.000.000,00 €-5.000.000,00 €-5.000.000,00 €
150,00%30.000,00 St5.400.000,00 €5.050.000,00 €350.000,00 €318.181,82 €
275,00%45.000,00 St8.100.000,00 €7.150.000,00 €950.000,00 €785.123,97 €
390,00%54.000,00 St9.720.000,00 €8.410.000,00 €1.310.000,00 €984.222,39 €
495,00%57.000,00 St10.260.000,00 €8.830.000,00 €1.430.000,00 €976.709,24 €
595,00%57.000,00 St10.260.000,00 €8.830.000,00 €1.430.000,00 €887.917,49 €
690,00%54.000,00 St9.720.000,00 €8.410.000,00 €1.310.000,00 €739.460,85 €
770,00%42.000,00 St7.560.000,00 €6.730.000,00 €830.000,00 €425.921,24 €
Summe 61.020.000,00 €58.410.000,00 €2.610.000,00 €117.536,99 €

Zunächst sollte klar sein, wie man an die stückmäßige Leistung kommt: durch Multiplikation der Prozentdaten mit der Maximalkapazität. Die Einzahlungen ergeben sich aus dem Stückpreis i.H.v. 180 Euro mal der Leistung. Da keine Annahmen über Zahlungsziele gegeben sind, ist das trivial. Die Auszahlungen ergeben sich aus den Fixauszahlungen i.H.v. 850.000 Euro pro Periode plus der Leistung mal den variablen Auszahlungen i.H.v. 140 Euro pro Stück. In Periode null sind die Auszahlungen natürlich nur der Neuwert der Anlage von 5.000.000 Euro. Aus beidem wird der Saldo gebildet und in gewohnter Weise abgezinst. Die Summe von 117.536,99 Euro besagt, daß sich die Investition schon bei einem Mindestrentabilitätszins von nur 10% lohnt. Das aber war erst das Vorspiel. Jetzt fällt der Hammer, der für viele eher ein Fallbeil sein dürfte:

Durch den Emissionshandel plant das Unternehmen nämlich die Verlagerung nach China, denn der Verkauf der Emissionsrechte bringt mehr als das Vermarkten der Produkte. Die Geschäftsleitung bietet an, nur unter der Voraussetzung in Deutschland zu bleiben, daß eine Mindestrentabilität von 16% zu realisieren sei. Dies geht offensichtlich nicht unter den gegebenen Daten. Man kann aber den Preis anheben. Wie hoch muß der Verkaufspreis sein, wenn eine Mindestrentabilität von 16% erzielt werden soll und alle anderen Daten konstant bleiben? Umpfhh Argh...!

Wir haben uns mit allen möglichen Zinsmodellen herumgeschlagen, sogar die interne Verzinsung berechnet, aber wie zum Teufel berechnet man einen erfordferlichen Preis, wenn die gewünschte Verzinsung schon gegeben ist??

Die Sache ist dem Grunde nach eine Erweiterung der schon dargestellten Prüfungs-Knallschote. Mußte man dort aber die Kapitalwertformel nach C auflösen, muß sie hier in acht einzelne Komponenten für den gründungstermin und die sieben Nutzungsperioden aufgelöst und nach P hin umgestellt werden. Das erfordert drei Arbeitsschritte:

 0–5.000.000
 1+ ((P–140) · 30.000 – 850.000) : (1+0,16)^1
 2+ ((P–140) · 45.000 – 850.000) : (1+0,16)^2
 3+ ((P–140) · 54.000 – 850.000) : (1+0,16)^3
 4+ ((P–140) · 57.000 – 850.000) : (1+0,16)^4
 5+ ((P–140) · 57.000 – 850.000) : (1+0,16)^5
 6+ ((P–140) · 54.000 – 850.000) : (1+0,16)^6
 7+ ((P–140) · 42.000 – 850.000) : (1+0,16)^7

Der erste Lösungsschritt besteht darin, daß die Formeln der Barwert-Spalte aufgeschrieben werden. Die 5 Mio. in Periode 0 sind natürlich die Anschaffungsauszahlung. Hierzu werden die Salden der sieben Jahre addiert. Jedes Jahr ist das aber genau gerade der Preis minus variable Auszahlungen i.H.v. 140 mal die Leistung und dies noch minus die fixen Auszahlungen i.H.v. 850.000 pro Periode. Das wird jeweils um den Faktor 1,16 hoch Zahl der Jahre abgezinst (Division!). Natürlich muß das Ergebnis null sein, denn dann ist die Verzinsung genau gerade 16%. Die Gleichung ist unter dieser Voraussetzung nach P aufzulösen.

 0–5.000.000
 1+ (30.000P – 5.050.000) : (1,16)^1
 2+ (45.000P – 7.150.000) : (1,16)^2
 3+ (54.000P – 8.410.000) : (1,16)^3
 4+ (57.000P – 8.830.000) : (1,16)^4
 5+ (57.000P – 8.830.000) : (1,16)^5
 6+ (54.000P – 8.410.000) : (1,16)^6
 7+ (42.000P – 6.730.000) : (1,16)^7

Hat man das erstmal erkannt, ist der Rest geradezu ein Kinderspiel. Zunächst muß man die Gleichungen vereinfachen. Der erste Vereinfachungsschritt besteht darin, den Preis P auszuklammern. Das P erscheint damit in jeder Zeile als separater Multiplikator. Wir haben bei dieser Gelegenheit auch gleich die Abzinsungsfaktoren ausgerechnet, aber die stehen oft sogar in Form von Tabellen in den Prüfungen, zum Nutzen all derer, die Taschenrechner ohne Potenzfunktion ihr Eigen nennen. Ja, auch hier ist die Potenz nicht alles, aber ohne Potenz ist alles nichts, wer wüßte das nicht...

 0–5.000.000
 1+ 25.862,06P – 4.353.448,27
 2+ 33.442,33P – 5.313.614,74
 3+ 34.595,51P – 5.387.931,03
 4+ 31.480,59P – 4.876.730,39
 5+ 27.138,44P – 4.204.077,92
 6+ 22.163,88P – 3.451.819,36
 7+ 14.860,84P – 2.381.272,73

Der zweite Vereinfachungsschritt besteht darin, die Zinsfaktoren auszurechnen. Auf diese Weise entstehen zwar krumme Zahlen, aber wer bis hierhin gekommen ist, stört sich auch nicht mehr an der Tipperei. Addiert man nun die Konstanten und die P's, so erhält man:

189.543,67P = 34.968.894,47
P = 184,4899 Euro

Mit 4,49 Euro mehr im Verkauf steigt die Rentabilität also auf 16%. Wow!

Die Sache lehrt, was wir an dieser Stelle immer wieder gepredigt haben: es gibt keinen Lift zum Erfolg. Man muß immer die Treppe benutzen. Und die ist steil und schwer zu erklimmen, denn der Erfindungsreichtum der Prüfungslyriker ist anscheinend grenzenlos.

Wir haben natürlich die Zahlen und die drumherum aufgebaute Erzählung verändert, um urheberrechtlichen Ärger zu vermeiden. Dennoch lehrt dieser Aufgabentyp noch etwas Anderes, was die Kämmerlinge möglicherweise nicht bedacht haben. Es wurde auch nicht gefragt, sollte dem Prüfungsteilnehmer aber gleichwohl bekannt sein, denn nicht für die Schule sondern für das Leben lernen wir ja bekanntlich: Warum eigentlich steigen die Mindestrentabilitätszinsen? Die klassische Antwort wäre, daß das an der steigenden Guthabenverzinsung infolge höherer EZB-Zinsen und an der höheren Insolvenzquote liege. Hier aber liegt es am Emissionshandel, denn anstatt zu produzieren, kann das Unternehmen auch stillegen und nur noch seine Emissionsrechte verkaufen. Nicht wenige machen genau das - wenn sie nicht eine höhere Produzentenrente erzielen. Und das geht über höhere Preise. Aber nein, wir haben keine Inflation, wo kämen wir den hin, wenn wir sowas behaupten...

Wer diese Aufgabengestaltung online nachrechnen will, der lädt sich übrigens den neuen Investitionsrechner herunter. Das ist kostenlos, aber nicht umsonst. Microsoft® Excel® ab Version 97 wird benötigt.

Links zum Thema: Interner Zinsfuß: eine hammerharte Prüfungs-Knallschote | Wissen, Können und Erkennen, oder von der Treppe, die zum Prüfungserfolg führt | Über die Nachhaltigkeit in der Arbeitslosigkeit | Investitionsrechner für Excel (interne Links)

Hinweise auf relevante Inhalte der BWL CD: [Lexikon]: "Barwert", "Discounted Cash Flow (DCF)", "interne Zinsfußmethode", "Interner Zinsfuß", "Kapitalwertmethode". [Manuskripte]: "Formelsammlung der BWL.pdf", "Investition Skript.pdf". [Excel]: "Interner Zinsfuß (Grafik).xls", "Interner Zinsfuß (Näherung).xls", "Interner Zinsfuß.xls".
Diese Hinweise beziehen sich auf die zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Artikels aktuelle Version der BWL CD. Nicht alle Inhalte und nicht alle Stichworte sind in älteren Fassungen enthalten. Den tagesaktuellen Stand ersehen Sie aus dem Inhaltsverzeichnis oder dem thematischen Verzeichnis.

Literatur: Zingel, Harry, "BWL-Formelsammlung", Wiley-VCH, Weinheim 2006, ISBN 3-527-50216-5, Amazon.de | BOL | Buch.de. Auf der BWL-CD ohne Mehrkosten enthalten.

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