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Umsatzsteuer: Wie die Ertragsbesteuerung der Kleinunternehmer indirekt erhöht wird

Gemäß §85 Satz 1 AO haben die Finanzbehörden die Steuern für alle Steuerpflichtigen gleichmäßig festzusetzen. Nach der übergeordneten Regelung des Art. 3 Abs. 1 GG sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich. Das hindert den Gesetzgeber aber nicht, Steuerpflichtige mit verschiedenen Arten der Einkünfteermittlung recht unterschiedlich zu behandeln: der Gewinn eines "voll" buchführungspflichtigen Unternehmers wird nämlich deutlich niedriger besteuert als der eines kleinen Unternehmers oder Freiberuflers ("Überschußrechners"), der "nur" eine Einnahme-Überschuß-Rechnung durchführt. Das wirkt sich insbesondere bei Investitionen drastisch Zuungunsten des Überschußrechners aus. Aller Anfang ist also schwer - auch im Steuerrecht.

Während die Umsatzsteuer nämlich bei buchführungspflichtigen Unternehmern ein Durchlaufposten ist, werden bei Überschußrechnern im Rahmen einer Einnahme-Überschuß-Rechnung die USt.-Zahlungen an das Finanzamt als Betriebsausgaben gewertet, die vereinnahmte Umsatzsteuer hingegen zählt zum steuerpflichtigen Ertrag. Was das bedeutet, muß man sich an einem Beispiel veranschaulichen. Versuchen wir das einfach mal:

Unser Beispielunternehmer habe in einem Veranlagungszeitraum nur eine einzige Rechnung geschrieben und eine einzige Rechnung erhalten. Beide Rechnungen seien bereits bezahlt, also im Rahmen der "großen" Buchführung ebenso wie bei der Einnahme-Überschuß-Rechnung relevant:

  • Betriebsausgabe: 600 Euro netto + 16% USt 96 Euro = brutto 696 Euro;
  • Ertragsbuchung: 1.000 Euro netto plus 16% USt. 160 Euro = brutto 1.160 Euro.

Ist dieser Unternehmer "voll" buchführungspflichtig so ergibt sich:

  • eine Umsatzsteuer-Zahllast i.H.v. 160 Euro - 96 Euro = 64 Euro und
  • ein Gewinn i.H.v. 1.000 Euro minus 600 Euro = 400 Euro, der ertragsteuerpflichtig wäre.

Bei einem Überschußrechners, der "nur" zur Einnahme-Überschuß-Rechnung verpflichtet ist, zählt die vereinnahmte Umsatzsteuer zum steuerpflichtigen Ertrag aber USt.-Zahlungen an das Finanzamt sind Betriebsausgaben. Vom Ertrag i.H.v. 1.160 Euro müßte also zunächst die Betriebsausgabe i.H.v. 696 Euro subtrahiert werden (denn das ist ja der wirklich gezahlte Betrag!), davon dann noch die USt.-Zahllast i.H.v. 64 Euro, was wiederum 400 Euro Gewinn ergibt. So weit, so gut.

Unser Überschußrechner aber möchte wachsen, auf daß er alsbald mehr Steuern zahlen möge. Das freilich kann er haben, auch schon vor dem Wachstum: nehmen wir mal an, der Überschußrechner investiere in eine Anlage im Nettowert von 300 Euro, die also brutto 348 Euro gekostet habe. Diese Anlage ist keine Betriebsausgabe, sondern muß abgeschrieben werden. Er kaufe diese Anlage am Schluß des Jahres (so daß wir die Modellrechnung nicht durch die Abschreibung verkomplizieren müssen). Für den "normalen" buchführungspflichtigen Unternehmer hat das zunächst keinen Einfluß. Seine USt.-Zahllast sinkt aber auf 16 Euro, weil von den ursprünglichen 64 Euro ja die 48 Euro Vorsteuer für die Anlage abgezogen werden.

Der Überschußrechner rechnet zunächst genauso, zahlt also nur noch 16 Euro Zahllast an das Finanzamt - und kann damit nur noch die bekannten 696 Euro aus der Betriebsausgabe plus 16 Euro USt.-Zahlung = 712 Euro geltend machen. Sein Ertrag liegt aber weiterhin bei 1.160 Euro. Der auf Einnahme-Überschuß-Basis errechnete Gewinn beträgt damit 1.160 Euro minus 712 Euro = 448 Euro. Die 48 Euro der Anlage sind damit zu einer steuerpflichtigen Einnahme geworden: eine drastische Ungleichbehandlung, insbesondere da wir bekanntlich in §32a EStG einen Progressivtarif haben.

So ist die Umsatzsteuer also auf dem Weg zur Ertragsteuer. Insbesondere Überschußrechner leiden unter dieser indirekten Ungleichbehandlung, die sich bei Erhöhung der USt. auf 19% ab 2007 noch deutlicher bemerkbar machen wird. Aller Anfang ist schwer, das wissen wir schon lange. Allerdings gilt das auch bei der Besteuerung der Überschußrechner, Freiberufler und Existenzgründer.

Immerhin gibt es hier einen einfachen Ausweg: wer schon mal Steuern gezahlt hat, und daran keinen Gefallen fand, kann freiwillig Bücher führen (§4 Abs. 3 Satz 1 EStG). Er zahlt dann zwar immer noch Steuern, aber eben etwas weniger - wie hier demonstriert. Nur rechtzeitig wissen muß man es, denn Unwissenheit schützt nicht vor höherer Steuerlast.

Update: Ich danke dem Forennutzer Peter für Hinweise zu diesem Artikel, die jetzt eingebaut wurden.

Links zum Thema: Vorgezogener Schaden: Wie die Umsatzsteuererhöhung jetzt schon Preise steigen läßt | Erste Reformgesetze passieren den Bundesrat (interne Links)

Hinweise auf relevante Inhalte der BWL CD: [Lexikon]: "Steuerrecht.pdf", "USt.pdf". [Manuskripte]: "Einnahmen-Ausgaben-Rechnung", "Umsatzsteuer", "Umsatzsteuer für Kleinunternehmer", "Umsatzsteuer-Buchungen".
Diese Hinweise beziehen sich auf die zum Zeitpunkt des Erscheinens dieses Artikels aktuelle Version der BWL CD. Nicht alle Inhalte und nicht alle Stichworte sind in älteren Fassungen enthalten. Den tagesaktuellen Stand ersehen Sie aus dem Inhaltsverzeichnis oder dem thematischen Verzeichnis.

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