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Gentechnik: das deutsche National-Gen

Ca. 2.200 Gesetze und fast 50.000 Verordnungen und Verwaltungsvorschriften machen uns das Leben süßer, wahrlich Stoff für lebenslanges Lernen. Aus dem Staunen kommt man nicht heraus. Eine Fundgrube bürokratischen Irrsinns sind dabei insbesondere kleine, unauffällige Regelwerke. Zum Beispiel die Arbeitsstätten-Richtlinien (ASR): So sind gemäß ASR 37/1 Toilettenräume so zu verteilen, daß sie vom ständigen Arbeitsplatz nicht mehr als 100 Meter und, wenn kein Fahrstuhl vorhanden, höchstens ein Stockwerk entfernt sind. Und der Weg vom Arbeitsplatz zur Toilette darf nicht durchs Freie führen. Das ist fast so spaßig wie das Doofenpfand, das Autobahnmautgesetz oder die reformierte aber immer noch komplexe Minijob-Regelung, oder was dem rot-grünen Gruselkabinett noch so alles entsprungen ist.

Das Steuerrecht ist besonders geeignet: So habe ich §4 Abs. 4a EStG zahlreiche Male gelesen, kann aber dennoch nicht behaupten, es wirklich verstanden zu haben. Ähnlich ist es mit der bekannten Pendlerpauschale. Aufwendungen für Familienheimfahrten sind nämlich nur eingeschränkt steuerlich abzugsfähig: "Bei Benutzung eines Kraftfahrzeugs dürfen die Aufwendungen in Höhe des positiven Unterschiedsbetrags zwischen 0,03 vom Hundert des inländischen Listenpreises im Sinne des §6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 des Kraftfahrzeugs im Zeitpunkt der Erstzulassung je Kalendermonat für jeden Entfernungskilometer und dem sich nach §9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 oder Abs. 2 ergebenden Betrag sowie Aufwendungen für Familienheimfahrten in Höhe des positiven Unterschiedsbetrags zwischen 0,002 vom Hundert des inländischen Listenpreises im Sinne des §6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 für jeden Entfernungskilometer und dem sich nach §9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 bis 6 oder Abs. 2 ergebenden Betrag den Gewinn nicht mindern". Noch irgendwelche Fragen?

Manche Gesetze brauchen eine deutliche inhaltliche Frischzellenkur, und nicht immer ist das so witzig wie im folgenden Zitat aus dem bürgerlichen Gesetzbuch:

§961 [Eigentumsverlust bei Bienenschwärmen]: Zieht ein Bienenschwarm aus, so wird er herrenlos, wenn nicht der Eigentümer ihn unverzüglich verfolgt oder wenn der Eigentümer die Verfolgung aufgibt.
§962 Verfolgungsrecht des Eigentümers]: Der Eigentümer des Bienenschwarms darf bei der Verfolgung fremde Grundstücke betreten. Ist der Schwarm in eine fremde nicht besetzte Bienenwohnung eingezogen, so darf der Eigentümer des Schwarmes zum Zwecke des Einfangens die Wohnung öffnen und die Waben herausnehmen oder herausbrechen. Er hat den entstehenden Schaden zu ersetzen.
§963 Vereinigung von Bienenschwärmen]: Vereinigen sich ausgezogene Bienenschwärme mehrerer Eigentümer, so werden die Eigentümer, welche ihre Schwärme verfolgt haben, Miteigentümer des eingefangenen Gesamtschwarms; die Anteile bestimmen sich nach der Zahl der verfolgten Schwärme.

Gewiß, diese Regelungen braucht das Land. Wie konnte ich jemals leben, ohne das zu wissen?

Viele Gesetze sind dabei nicht nur inhaltlich veraltet, sondern auch sprachlich. So regelt §62 HGB die Fürsorgepflicht des "Prinzipals", für seinen "Handlungsgehilfen". Ist dieser "in die häusliche Gemeinschaft aufgenommen, so hat der Prinzipal in Ansehung des Wohn- und Schlafraums, der Verpflegung sowie der Arbeits- und Erholungszeit diejenigen Einrichtungen und Anordnungen zu treffen, welche mit Rücksicht auf die Gesundheit, die Sittlichkeit und die Religion des Handlungsgehilfen erforderlich sind", die Sprache des Herrenmenschen des 19. Jahrhunderts, soziale Ungleichheit in Worte zementiert, seit 1896 der Reichsgesetzgeber das HGB beschloß.

Von Bürokratieabbau und Rechtsvereinfachung schwadronieren die Politiker schon lange. Das Gegenteil passiert. So hat der Hartzer Käse, der kürzlich den Reichstag passierte, zusätzliches Papiergestöber in den Schreibstuben der Betriebe und Behörden zur Folge. Auch neue steuerliche Offenlegungspflichten wie die neuen Zinskontrollmitteilungen dienen nicht gerade der Rechtsvereinfachung - so wenig wie die neuen Personenkennziffern unbürokratisch sind. Und wenn elektrischer Strom erstmal rationiert wird, dann entsteht flugs eine ganz neue Zuteilungsbürokratie, worüber wir dann gewiß nicht mehr lachen können.

Doch man soll es nicht für möglich halten, seit Schröder wurden auch Gesetze abgeschafft. Ja, ganz gestrichen. Solche, die sich mit der Zukunft und dem technischen Fortschritt befassen, zum Beispiel das Magnetschwebebahnbedarfsgesetz. Ansonsten beschäftigen wir uns aber zunehmend nur noch mit uns selbst und unserem besonderen deutschen Gen...

Links zum Thema: Nach dem Dosen-Debakel: Nächstes Jahr auch Zwangspfand auf Getränkekartons? | Gesetz über Autobahnmaut tritt in Kraft | Übersicht zur Neuregelung der Minijobs | Neue Pläne zum Bürokratieabbau | Auf dem Weg zur virtuellen Steuerprüfung per Suchmaschine | »Bild der Wissenschaft«: Stromversorgung am Limit, Rationierung droht | Was zum Teufel ist das Magnetschwebebahnbedarfsgesetz? | Bewertungs- und Bilanzierungsregeln | Wertsack | Der Hund des Beamten | Kurz und heftig (interne Links)


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