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Hinweise zu komplexen Marketing-Aufgaben | |
Ein Forenteilnehmer namens Jens postete im Forum für Betriebswirtschaft eine Marketing-Aufgabe, die gerade als Lehrbuchbeispiel für die Bearbeitung komplexer Marketing-Fallstudien dienen kann. Wir stellt hier die Aufgabe in einer nur ganz leicht veränderten Version zur Diskussion, und geben Hinweise zu ihrer Bearbeitung. | |
Das Problem | |
Die Aufgabe beginnt mit einer Schilderung von Daten sehr unterschiedlichen Typs, was sie auf Anhieb unübersichtlich macht, eine Fallgestaltung voller Fallen und Tretminen, die besonders in Prüfungen bei erhöhtem Adrenalinspiegel Spaß macht. Und man ahnt schon beim Lesen des Falles, daß hier vielschichtige und komplexe Lösungsstrategien gefordert werden:
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Grundlegende Hinweise zur Herangehensweise | |
Zuerst kann es sich lohnen, den Marketing-Prozeß im Auge zu behalten. Dieser beginnt mit der Marktforschung, aufgrund derer eine Marktsegmentierung vorgenommen werden kann, also die Aufteilung eines nicht insgesamt zu bedienenden Gesamtmarktes in handhabbare Teilmärkte. Für jeden Teilmarkt, den das Unternehmen zu bedienen wünscht, wird dann ein konkreter Marketing Mix ausgearbeitet, der die Summe der für dieses jeweilige Segment anzuwendenden konkreten Maßnahmen enthält. Beispiele wären etwa die Produktpolitik, die Preispolitik, die gewählten Distributionskanäle, die Absatzhelfer, die Konditionenpolitik, die Marktkommunikation, bestehend aus Werbung, Verkaufsförderung und PR, usw. usf. Die Summe der Maßnahmen für die einzelnen Segmente artikuliert eine (hoffentlich) in sich geschlossene Strategie. | |
Prüfungstaktische Tips | |
Je allgemeiner die Frage, desto allgemeiner auch die Antwort. Im vorliegenden Fall muß man also nicht spezifisch auf Details eingehen, sondern Gesamtzusammenhänge darstellen. Das ist typisch für strategische Aufgaben (während in taktischen Aufgaben oft gerechnet werden muß). Im vorliegenden Fall macht es also Sinn zu zeigen, daß man die zu den wesentlichen Elementen des Marketing-Mix und des strategischen Marketings gehörenden Konzepte kennt; ein bißchen konkrete Marktkenntnis kann natürlich auch nicht schaden, dürfte aber nur in einer Prüfung gefordert werden, wenn man Konditor oder Schokoladenfachhändler werden will. | |
Tips zur Lösung dieses Falles | |
Die Marktforschung ist in diesem Falle ja schon erledigt; dies an sich zu kritisieren oder Verbesserungen vorzuschlagen, ist vermutlich wenig erfolgversprechend. Viel eher wäre zu empfehlen, zunächst eine Erweiterung der Marktsegmentierung vorzuschlagen. Auf dieser Basis können neue Elemente des Marketing Mix und am Ende neue Strategien abgeleitet werden. | |
Neusegmentierung des Marktes | |
Wesentliche Segmentierungsvariablen sind im Teil über die psychologische Beschaffenheit des Marktes enthalten. So könnten schon das Genuß- und das Geschenkmotiv eine Marktsegmentierungsvariable sein: Schokolade in Lebensmittelmärkten und in Geschenkläden plazieren, in ersteren zum Essen, in letzteren zum Verschenken. Das bedingt natürlich unterschiedliche Produkte, Aufmachungen, Werbung usw. Zudem wird ein negatives Image erwähnt. Das fordert eine Art antizyklischer Marktkommunikation heraus, die aber die mutigere und risikoreichere Strategie ist, aber auch eine Alleinstellungsposition bedingen kann: "Dick ist schick" beispielsweise könnte Protestesser und Freßattacken ansprechen, und ein ausgesprochen dickes aber sexy wirkendes (möglicherweise noch schwarzes?) Schoko-Engelchen könnte Werbung für exotische, himmlische- oder sonstwasfür Genüsse machen - eine strategische Neupositionierung unter Bruch der gesellschaftlichen Gemeinplätze wie Fitneß und Gesundheit! Nicht ganz so gewagt wäre, dem Gesundheitsargument der Kritiker die Ausschüttung des "Glückshormones" Serotonin entgegenzusetzen: Schokophoria, sozusagen. Und das noch auf Bestellung? Schließlich können nämlich kreative Vorschläge versuchen, völlig neue Käuferschichten zu erschließen, etwa durch einen Schokoversand im Netz für gestreßte Programmierer und große Kinder, die an ihren teuren Spielsachen unter Liebesentzug leiden, und den Serotonion-Schock per Mausklick brauchen... | |
Neue Segmente und neue Maßnahmen | |
Man merkt an den Ideen, daß der Vorschlag neuer Segmente sich kaum von neuen Ideen für den Marketing-Mix trennen läßt. Im Rahmen einer Aufgabenlösung könnte man aber auf einzelne Segmente genauer eingehen, also etwa spezielle Maßnahmen für den Geschenk-Käufer oder den Internet-Schokokonsumenten vorschlagen. Diese könnten auch die Preispolitik umfassen, wobei man erwähnen sollte, daß Schokolade ein Convenience-Good im Sinne der konsumentenorientierten Gütertypologie ist, und daher mit verhältnismäßig hohen Preisaufschlägen verkauft werden kann. Das Preis-Portfolio bietet sich geradezu als Bezugsrahmen an. | |
Zur Beurteilung solcher Fallösungen | |
Der Prüfer hat es hier verhältnismäßig schwer, weil es zunächst offene Fragen sind, und zudem keine einzig richtige Lösung existiert. Die meisten Prüfer werden daher eine gute Note verteilen wenn sie merken, daß theoretische Kontepte mit Leben gefüllt werden - das ist der zentrale Erfolgsfaktor. Erklären Sie also, wie das Preis-Portfolio hier paßt, oder was das mit der Ansoff-Matrix zu tun hat, und Sie sind aus dem Schneider - ob Sie dabei die Schokolade im Netz vertreiben wollen, oder als besondere Appetithappen in Hotels für Übergewichtige auf Reisen für Dicke, die dem Diätwahn und Fitneßterror endlich mal entkommen wollen, das ist mehr oder weniger egal. Nur eines: verhalten Sie sich nicht zu destruktiv, trotz aller Versuchung. Beherrschen Sie sich und Ihre ironische Ader. Ein EU-weites Verbot von Schokolade zu fordern, oder wenigstens den Zwangsaufruck "ACHTUNG! SCHOKOLADE VERURSACHT DIABETES" auf allen Packungen, mag zwar politisch korrekt, von der ungewählten EU-Kommission begrüßt und theoretisch Negativmarketing sein, führt aber kaum zu brauchbaren betriebswirtschaftlichen Konzepten. Es sei denn, sie schlagen analog zum "Klimascheinhandel" einen Schokoerlaubnisscheinhandel für Dicke vor, die handelbare Steuer auf Serotonin. Das wäre wenigstens zeitgemäß. | |
Links zum Thema | |
Forum für Betriebswirtschaft | Skript zur Marktsegmentierung | Skript zur Marktkommunikation | Skript zur Preispolitik | Betriebswirt/IHK: Empfehlungen zur Prüfungsvorbereitung | Überlebensstrategien für die mündliche Prüfung | Erfolgsfaktoren in schriftlichen Prüfungen | Die IHK-Textbände: Warum sie schlecht sind, weshalb man sie dennoch braucht und wo man sie herkriegt | Betriebswirt/IHK: Verbesserungsvorschlag Nr. 1: Die IHK-Textbände (interne Links) | |
Hinweise auf relevante Inhalte der BWL CD | |
[Lexikon]: Stichworte "Absatzstrategie", "Corporate Identity", "Markenstrategie", "Markenwert", "Marketing", "Marketing-Mix", "Marktforschung", "Produktionsprogrammplanung", "Produktlebenszyklus", "Public Relations", "Verkaufsförderung", "Werbung". [Manuskripte]: "Corporate Identity.pdf", "Gütertypologie.pdf", "Marketing.pdf", "Marktforschung.pdf", "Marktsegmentierung.pdf", "Markttheorie.pdf", "Produktlebenszyklus Skript.pdf", "Werbung (Skript).pdf". |
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Im Gedenken an Harry Zingel, ✟ 12. August 2009
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