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Kalkulatorische Kosten im Qualitätsmanagement? |
Traditionell unterscheidet die Kostentheorie fünf kalkulatorische kostenarten, nämlich die kalkulatorischen Zinsen, Abschreibungen, Wagnisse, Mieten und Unternehmerlöhne. Dieser Kanon schien lange Zeit mehr oder weniger abgeschlossen; nunmehr allerdings taucht im Qualitätscontrolling eine zusätzliche kalkulatorische Kostenart auf, die sich zwar der numerischen Erfassung weitgehend entzieht, aber dennoch berücksichtigt werden sollte. Dieser kleine Beitrag faßt die wichtigsten Grundbegriffe zusammen. |
Determinanten der Kundenzufriedenheit |
Im Qualitätsmanagement gibt es Modelle der Kundenzufriedenheit, die meist, so wie im nebenstehenden Beispiel, von den persönlichen Bedürfnissen und Erwartungen des Kunden und der direkt und indirekt wahrgenommenen Unternehmenskommunikation ausgehen, und, etwa im Rahmen des bekannten Kano-Modells, bewerten, ob diese Erwartungen nicht erfüllt, erfüllt oder übererfüllt wurden, also nach dem Grad der Erreichung der Basis-, Leistungs- oder Begeisterungsanforderung differenzieren. |
Negative Verhaltensweisen bestimmen |
Neben der Abwanderung zu Konkurrenten sind die zwei wichtigsten negativen Verhaltensweisen unzufriedener Kunden die Beschwerde und die negative Mundpropaganda. Hier entsteht aber das Problem, daß nur ein kleiner Teil der Unzufriedenen sich wirklich beschwert, selbst dann, wenn eine Beschwerde etwa durch dem Kunden übergebene Beurteilungsbögen erleichtert oder geradezu herausgefordert wird: Schüchternheit, Angst oder einfach Konfliktvermeidung halten viele, die nur "etwas" unzufrieden sind, von direkter Äußerung ihrer Unzufriedenheit ab. Diese Hemmungen gelten aber nur gegenüber dem Unternehmen selbst, nicht aber gegenüber unbeteiligten Dritten. Das ist, weshalb ein schlechter Ruf sich schnell verbreitet, ohne daß man direkt davon erfährt. |
Frustration wiegt schwerer als Erfolg |
Kommen auf einen Beschwerdeführer zehn weitere Unzufriedene, dann muß damit gerechnet werden, daß zehnmal mehr negative Mundpropaganda wie Beschwerden geäußert werden. Aber mehr noch, negative Mundpropaganda kann sich fortpflanzen, also indirekt geäußert werden ("ich habe gehört, daß..."). Die Schlagkraft negativer Mundpropaganda ist damit ungleich größer als die positiver Kommunikation, denn die meisten Zufriedenen nehmen ihr zufriedenstellendes Erlebnis als selbstverständlich hin, und reden nur selten oder gar nicht darüber. Ein guter Ruf ist damit schneller verloren als gewonnen. |
Die Kosten negativer Mundpropaganda |
Ist es möglich, die Anzahl der Empfänger negativer Mundpropaganda zu bestimmen, also festzustellen, wieviel Leute pro jeweils tatsächlich eingehende Beschwerde Ziel negativer Äußerungen frustrierter Kunden werden, und kennt man den durchschnittlichen Lifetime Value eines Kunden, dann kann man die kalkulatorischen Qualitätskosten berechnen. Hierzu müßte es nach Meinung des Autors ausreichen, den durchschnittlichen Lifetime Value des Kunden mit der Kaufwahrscheinlichkeit und der Zahl der negativen Kommunikationsprozesse auszumultiplizieren. Das betrachten wir an einem Beispiel: |
Große praktische Probleme |
Alle kalkulatorischen Kostenarten sind nur geschätzte Werte, aber hier sind die statistischen Unsicherheiten noch viel größer. Schon die Bestimmung der Zahl der weitergereichten Kommunikationsprozesse dürfte problematisch sein; erst Recht kann die Kaufwahrscheinlichkeit, oder deren Abnahme, höchstens näherungsweise ermittelt werden. Nur der Lifetime Value kann in einem Unternehmen mit stabilen Märkten relativ genau bestimmt werden. Eine praktische Berechnung der kalkulatorischen Qualitätskosten ist damit zumeist unmöglich. Dennoch ist die hier angestellte Überlegung aber nich umsonst... |
Dennoch ein praktischer Nutzen |
Selbst wenn man die kalkulatorischen Qualitätskosten nicht formal berechnen kann, sollte ihr Vorhandensein die Verantwortlichen doch sensibilisieren, daß eine Beschwerde viel mehr kostet als ihre reine Bearbeitung. Es ist damit hochbedeutsam, Frustration bei den Kunden zu erkennen und abzubauen. Der Verdienstausfall durch frustrierte Kunden ist damit der möglicherweise höchste Einzelwert der Qualitätskosten, auch wenn er sich schlecht oder gar nicht berechnen läßt. Das wird daher leicht übersehen, ganz so wie kaum ein Autofahrer seine Zinskosten und kalkulatorischen Abschreibungen berechnet. Doch wer heute den Kopf in den Sand steckt, knirscht morgen mit den Zähnen: Und dies gilt um so mehr, je polypolistischer der Markt und je weniger substituierbar das jeweilige Gut ist, d.h., je leichter negative Mundpropaganda zu Abwanderung oder gänzlicher Kaufverweigerung führen kann. Es wundert daher nicht, daß sich solche Überlegungen noch nicht zu Stadtwerken, Finanzämtern, der Post oder der Telekom durchgesprochen haben; viele Restaurants, Handelsbetriebe oder Dienstleister haben das aber schon vollkommen verstanden und handeln entsprechend. |
Links zum Thema |
Skript zur Kostenartentheorie | Skript zum Qualitätsmanagement (interner Link) |
Hinweise auf relevante Inhalte der BWL CD |
[Lexikon]: Stichworte "Kalkulatorische Kosten", "Kalkulatorische Abschreibung", "Kalkulatorische Miete", "Kalkulatorische Wagnisse", "Kalkulatorische Zinsen", "Kunde", "Qualitätscontrolling". [Manuskripte]: "Lehrbuch der KLR.pdf", "ISO 9000 Skript.pdf", "Kundenzufriedenheit.pdf". |
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Im Gedenken an Harry Zingel, ✟ 12. August 2009
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