Gestern berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung, daß China den über 1.300 km langen Transrapid zwischen Beijing und Shanghai nun vermutlich doch nicht bauen will. Offenbar soll statt dessen ein japanischer Hochgeschwindigkeitszug mit traditioneller Technologie importiert werden. "Wir haben klare Signale, daß die Entscheidung zugunsten der Rad-Schiene-Technik fällt" zitiert die Zeitung Hans-Dieter Bott, Vorstandsmitglied im Siemens-Bereich Verkehrstechnik. Der Termin dieser Entwicklung nur wenige Tage nach dem Ausstieg aus dem Metrorapid-Projekt in Deutschland dürfte kein Zufall sein: anscheinend befürchtet man in China, mit der neuen Technologie "alleingelassen" zu werden, wenn sich der Transrapid in Deutschland nicht durchsetzen kann. Offenbar habe die Grünen, die den Ausstieg in Nordrhein-Westfalen zu verantworten haben, also auch diese Entwicklung zumindest mitzuverantworten.
Diese Nachricht ist sozusagen extra-herb, denn die 1.300 km Beijing-Shanghai wären erst der Anfang noch größerer Aufträge gewesen: Der Verkehrswegeplan der Chinesen sieht nämlich über 8.000 km Hochgeschwindigkeitstrassen vor.
Dabei ist die Magnetschwebebahn an sich keine neue Technologie. Wie die nebenstehende Übersicht zeigt, wurde sie in Deutschland schon im Jahre 1969 erstmals diskutiert, kann hierzulande also auf eine mindestens 34jährige Geschichte zurückblicken: 34 Jahre Transrapid in Deutschland ohne einen einzigen Kilometer wirklich für das Publikum genutzter Strecke. Das stellt das Genehmigungsverfahren für das Kernkraftwerk Obrigheim, das 24 Jahre im "Probebetrieb" lief, als modernen Exorzismus noch um einiges in den Schatten.
Danke, liebe Grüne, vielen Dank. Die Arbeitslosen, die jetzt an Zahl noch um einiges zunehmen werden, stehen gewiß bald Schlange, um Euch zu diesem weisen Entschluß zu gratulieren, denn ihr habt es diesmal nicht nur geschafft, eine Zukunftstechnologie für Deutschland zu verhindern, sondern selbst im fernen China eine fortschrittliche Entwicklung zu stoppen: und das will schon etwas heißen, wo sich die Chinesen doch sonst nicht vom Ausland in ihre Projekte reinreden lassen.
Nach der Kernkraft, der Raumfahrt und der Biotechnologie stirbt nun wohl die letzte große Zukunftstechnologie in Deutschland aus. Wiederum sind wir von China technologisch überrundet worden, wie schon in anderen Bereichen, in denen die Chinesen munter deutsche Industriewerke und Forschungsstätten demontieren, um sie daheim erfolgreich weiter zu betreiben. Zugleich sehen wir hier einen Grund für die Politikverdrossenheit und den Mißmut in diesem Lande: wenn es in 34 Jahren nicht gelingt, eine neue Technologie einzuführen, dann wundert es nicht, daß immer mehr Wissenschaftler in das Ausland abwandern, wo man sowas in einem Gang durchzieht.
Immerhin ist die ganze Provinzposse auch ein Lehrstück in angewandter Marktwirtschaft, denn das Bedürfnis nach günstiger, schneller und behinderungsarmer Mobilität, das sich als Nachfrage am Markt artikuliert, hat immerhin zum Entstehen zahlreicher Billigflieger geführt, die derzeit noch nicht so gut zu verhindern sind, weil sie - anders als etwa der Autofahrer oder Busunternehmen - einer möglichen deutschen Keosinbesteuerung ausweichen können, und anders als der Transrapid, nicht so leicht durch Genehmigungsverfahren zu verhindern sind. Hier kommt uns also die eurosklerotische Uneinigkeit der europäischen Steuerpolitiker zugute - wer hätte das gedacht!
Vielleicht werden wir den Transrapid ja eines Tages von den Chinesen günstig importieren. Wie die Kernfusion, wie die Biotechnik, wie schon jetzt unzählige Waren, die hier wegen des Kostendruckes keiner mehr herstellen kann.
Vielen Dank, liebe Grüne, für die so überaus erfolgreiche Globalisierung des Morgenthau-Planes!
Links zum Thema: Was zum Teufel ist das Magnetschwebebahnbedarfsgesetz? | Der Kanzler und der Transrapid, oder China und der Westen | Columbia, China und der Eisenberg (interne Links) |