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"Gesundheitsreform", oder die Wissenschaft vom Durchwursteln

Schon 1959 beschrieb Charles Lindblom in "The Science of Muddling Through" (in: "Public Administration Review" 1959, pp. 79-88) minimalistisches "Durchwurstelverhalten" als charakteristisches Verhaltensmuster in Politik und Verwaltung. Die gegenwärtig wieder einmal erwogene Gesundheitsreform, die wohl im Effekt nur eine neue Verschärfung der schon bestehenden Rationierung werden dürfte, ist ein gutes Beispiel hierfür und gäbe ein hervorragendes Thema für eine hochaktuelle Studien- oder Diplomarbeit ab. Da ist von weiteren Einschränkungen und "Deckelungen" die Rede, von Kostenreduktionen und neuen Beschränkungen und von am Ende doch weiter steigenden Beiträgen und Zuzahlungen. Und wenn es mit grün-rot so weitergeht wie es mit rot-grün in der vorigen Legislaturperiode begonnen hat, und danach sieht es derzeit aus, dann werden wohl noch weitere Detailregelungen auf einen ohnehin schon in bewegungsloser Planwirtschaft erstarrten Wirtschaftsbereich gehäuft. Dabei liegen einige Vorschläge auf der Hand, so offensichtlich, daß man sie offenbar nicht wahrhaben will (oder kann):

Verbreiterung der Beitragsbasis

Die derzeitige Regierung will die Beitragsbemessungsgrenze anheben um Berufsanfänger und Hochverdiener in den gesetzlichen Kassen zu halten. Gleichzeitig werden aber immer noch ganze Bevölkerungsschichten von jeder Versicherung ausgeschlossen, etwa diejenigen Selbständigen, die (etwa wegen schlechter Gesundheit) von den privaten Kassen rausgeworfen wurden (oder nicht mehr zahlen konnten). Ihnen auch ist der Weg in die gesetzlichen Kassen versperrt, d.h., sie sparen zwar unfreiwillig Beiträge zu Zeiten beruflichen Erfolges, werden aber mangels Versicherung im Alter oder bei plötzlicher Erkrankung mit Gewißheit zu Sozialfällen: unvernünftiger könnte ein System nicht sein! Und das ist erst seit 1999 so, ist also eine Untat des Steuerlügen-Schröder!

Kontrahierungszwang für Krankenkassen

Noch immer können private Krankenkassen Aufnahmeanträge ablehnen oder Versicherte indirekt kündigen (indem man irgendein Fehlverhalten in der Vergangenheit entdeckt). Auch Beitragserhöhungen im Alter führen oft zu einer indirekt erzwungenen Kündigung (durch Zahlungsunfähigkeit des Versicherten). Das könnte leicht geändert werden, etwa nach dem Vorbild der Energieversorger, die auch keinen Kunden ablehnen dürfen.

Mitnahme von Rücklagen

In diesen Zusammenhang gehört auch die Rücklage, die Krankenkassen für ihre Versicherten bilden. Sie verfallen nämlich immer noch bei Kündigung des Mitgliedes, was der Grund für eine höhere Beitragsbelastung bei Eintritt in eine neue Versicherung ist - oder andersherum gesagt der Grund, weshalb mit zunehmendem Alter ein Wechsel immer teurer wird. Das gibt nicht nur den Gesellschaften freie Hand, mit ihren "Versicherten" recht herzlos zu verfahren, denn sie können faktisch nicht mehr wechseln, sondern ist auch gegen jeden Solidaritätsgedanken.

Abschaffung des Risikostrukturausgleiches

Eines der planwirtschaftlichsten Elemente im Gesundheitswesen ist der Risikostrukturausgleich. Im Kern bedeutet dies, daß Krankenkassen mit gesunden Mitgliedern, also geringen Kosten, solche mit schlechten Risiken, also hohen Kosten, durch Transferzahlungen stützen müssen. Das heißt, daß Kassen mit guter Risikostruktur diese nicht in Form von Beitragssenkungen an ihre Versicherten weitergeben dürfen, sondern unrentable Kassen stützen ("mitschleppen") müssen - oder im Effekt, daß jeder Marktprozeß ausgeschaltet ist. Wäre dann die offizielle Wiedereinführung des faktisch schon lange vorhandenen Sozialismus nicht die ehrlichere Lösung, nur diesmal unter grünem statt roten Vorzeichen??

Endlich ein Systemwechsel

Warum es überhaupt private und gesetzliche Kassen geben muß, ist ohnehin unklar. Würde man den Wettbewerb zwischen allen Versicherungsgesellschaften völlig freigeben, und zugleich den Unterschied zwischen "GKV" und "PKV" endlich abschaffen, hätte man gleich einen ganzen Haufen Fliegen mit einer Klappe erschlagen, und durch die Entfesselung der Marktkräfte würden Beitragssenkungen und Leistungsverbesserungen zugleich wahrscheinlich, wie man es bei der Freigabe der Telefonnetze 1996 gesehen hat. Dieser Wettbewerb ließe sich durch eine Kontrahierungspflicht der Kassen bei gleichzeitiger Möglichkeit des Patienten zu jederzeitigem Wechsel der Kasse noch verschärfen. Eine Rückversicherungspflicht der Kassen könnte die Patienten im Falle des Ablebens ihrer Versicherungsgesellschaft schützen (wie es ja auch im Reisegewerbe sich bewährt hat), und eine gleichzeitige vom Arbeitseinkommen unabhängige Versicherungspflicht aller Personen von Geburt bis zum Tode würde die Beitragsbasis sichern. Eigentlich sind diese Vorschläge einfach und offensichtlich, doch warum werden sie nicht wahrgenommen?

Weniger Rationierung und weniger Datenschutz

Ein System zur Verteilung von Kollektivgütern ist immer uneffektiv, und Versicherungsleistungen sind ein Kollektivgut. Doppeluntersuchungen oder lustlose Lehrlinge, die an einem Morgen zu fünf Ärzten tappen, von denen einer endlich den begehrten gelben Zettel schreibt, die aber alle ein Honorar bekommen, sind eine Reise nach Absurdistan. Würde man den Datenschutz nur ein klein wenig lockern und etwa die Diagnosen und Behandlungen jedes Mitgliedes durch die Kasse abgleichen lassen, könnten bei entsprechendem Willen, die heilige Datenschutzkuh ein klein wenig anzutasten, Milliarden gespart werden. Daß es nicht geschieht zeigt, daß der politische Wille fehlt - oder der entsprechende Sachverstand der grün-roten Laienspieltruppe.

Weiter so wie bisher

Aber es scheint sich kein durchgreifender Wechsel anzubahnen, und Sie sollten daher Pläne machen, wie Sie mit Krankenversicherungsbeiträgen von 16-18% und Rentenversicherungsbeiträgen deutlich über 20% über die Runden kommen wollen - sicher nicht vor der nächsten Wahl (in 2006 oder vielleicht schon früher), aber gewiß bald danach. Nehmen Sie mich beim Wort, diese Seite bleibt im Netz - trotz aller bisherigen Versuche, sie zu entfernen!

Liebe Leser bei bund.de,...

...die ihr jeden Tag in meinem Logfile steht, ich weiß, daß Ihr dies lest, und ich weiß genau, daß diese Webseite (und auch andere meiner gestammelten Werke) im Reichstag bekannt sind. Es wäre wunderbar, wenn ihr mal nicht nur mitlesen, sondern auch mitdenken würdet, denn ihr wißt schon, wer heute den Kopf in den Sant steckt, der knirscht morgen mit den Zähnen. Einfache Logik, eh??

Mehr zum Thema

Auf Informationen zum Versicherungsbetrug (interner Link)


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