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Ein Paradigmenwechsel in der Ausbildung, oder wer wem was bezahlen sollte

Unter einem Paradigma versteht man die einer Sache oder auch einer gesellschaftlichen Institution zugrundeliegenden Denk- und Handlungsmuster. Die meisten Paradigmen sind den Handelnden jedoch unbewußt und gerade daher vielfach Gegenstand politischer Manipulation. Sie leiten unser Tun, ohne daß wir uns dessen Rechenschaft ablegen würden. Das ist auch auf den Märkten so - zum Beispiel auf dem Bildungsmarkt.

Wirtschaft, so eine gängige Definition, sei der Austausch nützlicher Güter (was übrigens begründet, warum der Emissionshandel eben gerade keine Markttransaktion ist). Für solcherart vermittelten Nutzen muß derjenige, der den Nutzwert aus einer Markttransaktion erwirbt, Geld bezahlen - ein jahrtausendealtes Paradigma. Doch wer erhält eigentlich den Nutzen aus einer betrieblichen Ausbildung?

Traditionell könnte man meinen, daß der Auszubildende ein nützliches Gut erwirbt - nämlich Wissen, Können und Erkennen. Hierfür leistet er bei seinem Arbeitgeber Dienste, für welche er jedoch ebenfalls bezahlt wird. Er bezahlt also nicht für eine empfangene Leistung, sondern erhält noch ein Entgelt. Im Zuge der zeitgeistigen Kürzungs- und Verknappungsdebatte scheint auch diese gesellschaftliche Institution der bezahlten Ausbildung ins Wanken zu geraten. Zunehmend wird hinterfragt, ob der Arbeitgeber dem Auszubildenden eine Vergütung zahlen sollte, oder nicht eher der Lehrling seinem Lehrherren. So ist es nämlich in früheren Jahrhunderten schon einmal gewesen - und so ist es auch heute, aber nicht bei Lehrlingen sondern bei den Lehrgängen der IHK oder den Ausbildungsgängen privater Universitäten oder der diversen Fernstudieninstitute.

Hinterfragt man bestehende Paradigmen, so geben sie oft zugrundeliegende Werte zu erkennen, die im täglichen Diskurs nicht verbalisiert werden. So ist das auch bei der Ausbildung: daß der Lehrling eine Vergütung erhält, gilt als selbstverständlich. Keiner spricht darüber - noch nicht. Dabei offenbart es doch indirekt die Geringschätzung der Ausbildungsleistung von Betrieb und Berufsschule, die ebenfalls sehr zeitgeistig ist: im Land der Dichter und Denker soll es, glaubt man geradezu unglaublichen Statistiken, schon über eine Millionen Analphabeten geben, nahezu zwei Prozent der Bevölkerung. Wer also andere ausbildet, erhält dafür kein Geld - er tut etwas, was der Gesellschaft, nach herrschender aber eben sehr kurzsichtiger Denkweise, nichts nützt. Die Ausbildungsleistung des Ausbildungsbetriebes erscheint damit als eine Art "Anhängsel" zu einem Arbeitsverhältnis - und wird auf Rabenvater Staat in Gestalt der Berufsschule abgewälzt. Daß das einstmals sehr erfolgreiche und in viele Länder exportierte duale System nicht mehr funktioniert weiß aber jeder, der darin schon einmal tätig war.

Es wird also höchste Zeit, die Debatte um Studiengebühren auch auf die Auszubildenden auszudehnen - aber ebenso die über Stipendien, Stiftungen und private Förderung, also über einen Wettbewerb um leistungsfähige Lehrlinge und gute Ausbildungsbetriebe, denn nur Konkurrenz belebt das Geschäft, auf beiden Seiten. Jeder weiß es, aber keiner gibt es zu: Was nichts kostet, ist auch nichts wert - so die offensichtlich der kostenlosen Bildung zugrundeliegende Geisteshaltung. Kostenlos ist aber zugleich umsonst, wenn nichts zahlen zu müssen als Wertlosigkeit interpretiert wird. Dies aber ist ein Grundparadigma des Arbeitnehmers: wer unselbständig tätig ist, ist auch für sich selbst nicht verantwortlich. Das Modell der abhängigen Arbeit wurzelt im Gedanken der persönlichen Gefolgschaft feudaler Lehnsherren, die ihr Gesinde eben nicht nur ausnutzten, sondern auch vor Feinden schützten und im Alter und bei Krankheit versorgten: Fürsorge- und Treuepflichten aber ergänzen einander heute nicht mehr, denn die Arbeitgeber haben sich längst aus der Fürsorge verabschiedet. Warum also noch treu sein?

Wenn wir, so die einfache Lehre aus der derzeitigen Debatte, den Wert von Wirtschaftsgütern nicht kommunizieren, also nicht (mehr) harte Arbeit gegen guten Wert als Leitbild beruflichen Lebens vorleben und einfordern, wird die derzeitige Bildungsmisere nicht überwunden, sondern zu einer richtigen gesellschaftlichen Krise. Auf dem besten Weg dahin ist sie ja schon - durch eine parasitäre politische Kaste, die überlebte Strukturen nicht abschafft, sondern noch durch Ausbildungsplatzumlagen und andere staatliche Zwangsmaßnahmen weiter fortschreiben will. Doch wer heute den Kopf in den Sand steckt, der knirscht morgen mit den Zähnen - auch in der Aus- und Fortbildung.

Links zum Thema: Kyoto-Protokoll: Ist der Emissionshandel wirklich ein Marktinstrument? | Wissen, Können und Erkennen, oder von der Treppe, die zum Prüfungserfolg führt | Handys, Quake und BMW: Erfahrungsbericht eines Dozenten | Studiengebühren und Elitebildung: über die heiligen Kühe des Sozialismus (interne Links)

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