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Zur Geschichte des Spekulationswahns, Teil 3: Der Südsee-Schwindel |
In dieser Serie berichtete der BWL-Bote von historischen Fällen von "Kasinowirtschaft" und Spekulationswahn. Nach einem Beitrag über den Tulpenwahn in Holland und den Tanz ums goldene Kalb folgt nun im letzten Teil der Serie ein Artikel über den sogenannten Südsee-Schwindel. Der Artikel wird hier mit freundlicher Genehmigung von Dr. Helmut Böttiger, Rechteinhaber und Verleger der "Neuen Solidarität" veröffentlicht. |
Teil 3: Der Südsee-Schwindel. Von Frank Müchler. |
Die Gründung der Südsee-Gesellschaft in England 1711 diente in erster Linie dazu, den Geldbedarf der Regierung zu decken, der durch den Krieg mit Frankreich enorm war, denn die Bevölkerung hatte sich den Schuldverschreibungen der Regierung gegenüber abweisend verhalten. |
Gerüchte und Verblendung |
Als entgegen allen Erwartungen die Südseeaktien nach der königlichen Genehmigung fielen, wurde die Gerüchteküche erneut bemüht; man erzählte die unglaublichsten Lügen über mögliche Profite durch neue politische Verträge mit Spanien. Endlich zog der Kurs wieder an, und am 12. April emittierten die Direktoren eine Million neue Aktien zum Eröffnungskurs von 300 Pfund je 100-Pfund-Aktie. Die Kurse stiegen weiter, und um sie noch mehr in die Höhe zu treiben, beschloß das Direktorium, die Mittsommerdividende auf 10% festzulegen. In den Genuß dieser Dividende sollten auch die Neuzeichner der gerade aufgelegten Aktien kommen. Offenbar war jedes Mittel recht, um die Verblendung der geldgierigen Menschen noch weiter zu steigern. Die nächste Emission wurde schon zum Kurs von 400 pro 100-Pfund-Aktie aufgelegt, und in wenigen Stunden waren anderthalb Millionen Aktien gezeichnet. |
Ein einzigartiges Schauspiel |
Daß die Gesellschaft ein einziger Schwindel war, war spätestens ab September zumindest einigen Parlamentariern bekannt. In einem Brief des Unterhausabgeordneten Broderick an Lordkanzler Middleton vom 13. September heißt es: "Unterschiedlich sind die Vermutungen, warum die South-Sea-Direktoren es duldeten, daß der Nebel so früh zerriß. Ich habe keine Zweifel, daß sie es um ihres eigenen Vorteils willen taten. Sie haben das Vertrauen der Bevölkerung so weit überstrapaziert, daß das Währungssystem sich außerstande erweist, dies zu ertragen. Sie haben bedenkenlos Neuemissionen aufgelegt und sich dabei auf die Verluste der Verblendeten gestützt, deren Vernunft durch Geldgier und die Hoffnung, man könne aus Maulwurfshügeln Berge machen, ausgeschaltet wurde. Tausende von Familien werden an den Bettelstab kommen. Die Bestürzung ist unbeschreiblich, der Zorn riesengroß und die Lage so verzweifelt, daß ich keine Möglichkeit sehe, das Unglück abzuwenden. Ich habe keine Ahnung, was als nächstes zu tun wäre."
Charles Mackay schrieb über diese Zeit: "Während des Südseeschwindels bot England ein einzigartiges Schauspiel. Im öffentlichen Bewußtsein vollzog sich ein Prozeß ungesunder Gärung. Die Menschen waren nicht mehr zufrieden mit den langsamen, aber sicheren Erträgen bedachtsamen Fleißes. Die Hoffnung auf grenzenlosen Reichtum in unmittelbarer Zukunft machte sie achtlos und überheblich gegenüber dem Heute. Eine bis dahin unbekannte Prunksucht machte sich breit, verbunden mit auffallender moralischer Indifferenz."
In der Parlamentary History of England wurde folgendes festgehalten: "So konnte man binnen acht Monaten Aufstieg, Fortschritt und Niedergang dieses mächtigen Gebildes beobachten, das geheimnisvolle Kräfte zu einer wundervollen Höhe getrieben hatten, so daß die Augen und Erwartungen ganz Europas auf ihm ruhten, dessen Fundamente aber Betrug, Illusion, Leichtgläubigkeit und Verblendung hießen, so daß es zusammenfiel, als die hinterhältigen Transaktionen seines Direktoriums ans Licht kamen."
Wegen der beunruhigenden Situation kehrte König Georg im November früher als geplant von seinem Aufenthalt in Hannover zurück und berief das Parlament ein. Interessant ist, daß es bei den vielen öffentlichen Versammlungen in allen größeren Städten Englands, auf denen die Verfolgung und Bestrafung der Direktoren der Südsee-Gesellschaft lautstark gefordert wurde, keinen Platz für Selbstbesinnung und Selbstkritik der Betroffenen gab. Schließlich war es ihre Geldgier und die daraus resultierende Verblendung, die es den Betrügern so einfach gemacht hatte. Jetzt stellten sie sich selber als einfache, ehrlich und hart arbeitende Menschen dar, die von einer Räuberbande ausgeplündert worden waren. Daß sie selber aktiver Teilhaber an dieser Zockerei gewesen waren, das wollten sie nicht wahrhaben. |
Literaturverzeichnis zu allen drei Beiträgen |
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Nachwort des Herausgebers |
Der vorstehende Artikel wurde geschrieben, als die IT-Branche noch boomte und die Kurse täglich neue Höhen erreichte - und jetzt, da der Neue Markt abgestürzt ist und der DAX sich dem Grabe nähert, haben sich viele der düsteren Parallelen schon bestätigt. Und da die Flut nunmehr den Steuerlügen-Schröder wieder ins Amt gespült hat, zusammen mit seiner kriminellen Riege aus einem zum Außenminister mutierten ehemaligen Steinewerfer und dem Ex-Rechtsanwalt der Terroristen der "RAF", jetzt als Innenminister und oberster Terroristenjäger bekannt, werden wir wohl noch mehr von dem erleben müssen, was sich in der Geschichte schon einmal abgespielt hat, denn wer aus der Geschichte nichts lernt ist dazu verurteilt, sie zu wiederholen: Nur, daß es jetzt halt nicht mehr die Südsee-Gesellschaft ist, sondern "Energie"-Handelshäuser, die CO2-Klimascheine verscherbeln. Eine Menge Unternehmen bereiten sich gerade mit Hochdruck darauf vor... Hier finden Sie mehr Parallelen und einen kleinen Anlaß, über die Zukunft des Finanzsystems zu spekulieren... |
Moderne Formen von Spekulation und "Kasinowirtschaft": |
Soll ein Krieg das Finanzsystem retten? | Öko-Derivatehandel | Verknappung und Hunger | Was man so alles kaufen kan ... oder sogar muß | CO2-Neurose und Nachhaltigkeits-Wahn | Proteste und Petitionen gegen den sogenannten "Klimaschutz" (alles interne Links) |
Verfügbarkeit dieses Artikels |
Zum Schluß der Serie wurde der vollständige Beitrag im Originalwortlaut (also ohne das Nachwort des Herausgebers und ohne die angehängten Verlinkungen) auch als PDF-Datei bereitgestellt. Klicken Sie einfach hier, um die Datei anzusehen. Diese Datei befindet aich auch unter dem Titel "Der Tanz ums Goldene Kalb" im Ordner "Grundlagen Texte und Materialien" auf der BWL CD. Dies gilt für alle CDs, die seit dem 31.07.2002 ausgeliefert werden. Bei entsprechender Nachfrage wird der Beitrag auch für Bezieher früherer CD-Versionen kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. |
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Im Gedenken an Harry Zingel, ✟ 12. August 2009
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